"Der Norden liest"

Lesung in Hamburg: Ein Trio, das nicht ganz zusammenpasst

| Lesedauer: 3 Minuten
Ildikó von Kürthy mit Daniel Schreiber (l.) und Gianni Jovanovic.

Ildikó von Kürthy mit Daniel Schreiber (l.) und Gianni Jovanovic.

Foto: Maren Janning

Bestsellerautorin Ildikó von Kürthy traf im Billstedter Kulturpalast bei der NDR-Literaturreihe auf sehr unterschiedliche Kollegen.

Hamburg. „Ich habe bei Lesungen immer so großes Lampenfieber, am liebsten möchte ich auf der Stelle tot umfallen“, sagt Ildikó von Kürthy. Gerade hat die Beststellerautorin die Bühne im Kulturpalast Billstedt betreten. Singen und Tanzen, sagt sie, finde sie verwunderlicherweise weniger schlimm. Anders als bei ihrer aktuellen Buchshow „Morgen kann kommen“ offenbart die 54-Jährige diese Talente hier jedoch nicht.

Für die NDR-Literaturreihe „Der Norden liest“ sitzt sie am Mittwochabend mit den Schriftstellern Daniel Schreiber und Gianni Jovanovic auf dem Podium. Es geht um Ehe, patriarchale Strukturen und Einsamkeit – alles unter dem Titel der ARD-Themenwoche „Wir gesucht! Was hält uns zusammen?“.

Lesung in Hamburg: Aktivist Jovanovic sieht Ehe kritisch

Besonders viele persönliche Details teilt an diesem Abend der Aktivist Jovanovic. Der 44-Jährige ist als schwuler Mann in einer großen Sinti-und-Roma-Familie aufgewachsen, heute setzt er sich unter anderem für die LGBTQI-Szene ein. „Im Alter von 14 wurde ich zwangsverheiratet, ich bin heute schon Vater und Großvater.“

Mittlerweile sei er jedoch viele Jahre glücklich mit einem Mann verheiratet. Und trotzdem: Die Ehe sieht Jovanovic kritisch. „Die patriarchalen Strukturen unserer Gesellschaft formen das Konzept der Ehe“, sagt der Aktivist. Immer wieder würden sowohl seine Tochter, als auch seine 12 Jahre alte Enkelin von Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt erzählen. „Da müssen wir genauer hingucken.“

Als er aus seinem Buch „Ich, ein Kind der kleinen Mehrheit“ vorliest wird deutlich: Mit Ausgrenzung und Rassismus hat Jovanovic in seinem Leben schon viele Erfahrungen gemacht. Als Roma und Sinti war seine Familie nirgends willkommen, musste von Ort zu Ort ziehen.

Auto Daniel Schreiber liest aus seinem Buch "Allein"

Ein wirkliches Gespräch zwischen den Gästen ergibt sich aus seinem sehr persönlichen Beitrag jedoch keineswegs. Nicht ganz verwunderlich – Autor Daniel Schreiber behandelt in seinem Buch „Allein“ schließlich ein ganz anderes Thema. Es geht ums Alleinleben und darum, warum es häufig als Scheitern wahrgenommen wird, wenn jemand nicht mit Partnerin oder Partner zusammenwohnt. „Ich habe nie geplant, alleine zu leben. Eigentlich hatte ich immer immer Beziehungen – kurze, lange und richtig lange.“

Und trotzdem habe es sich so ergeben. Schreiber liest mit sanfter, klarer Stimme, man muss ihm einfach zuhören. Auch über seine persönliche Krise als Single während der Lockdowns 2020 berichtet der 45-Jährige. „Die Corona-Regeln wurden damals für Paare und Familien gemacht, Menschen, die alleine leben, wurden vergessen.“ Die Einsamkeit habe ihn während dieser Zeit überrascht.

"Der Norden liest": Auswahl der Gäste nicht optimal

Vielleicht liegt es an ihrer aktuell noch laufenden Show, vielleicht an ihrem Lampenfieber, dass Ildikó von Kürthy im Kulturpalast nicht aus ihrem neuen Roman „Morgen kann kommen“ liest. Darin geht es um vier Frauen über 50, die in einer Villa zusammentreffen und eine WG gründen – untypisch für ihr Alter. Und doch gewinnen sie durch das Zusammenleben ein Stück ihrer Freiheit zurück.

Spätestens bei der Frage, ob die drei Menschen auf der Bühne gern in einer solchen WG zusammenwohnen würden (eher nicht) wird klar, dass die Auswahl der Gäste womöglich nicht optimal zusammenpasst. Und dennoch: Jeder und jede für sich bringt an diesem Abend interessante und persönliche Details ein.

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