Hamburgische Staatsoper

Rossini-Gala: Große Opern-Hits – und das kostenlos

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Alessandro Di Marchi dirigierte  auf der Staatsopern-Bühne  eine Rossini-Gala. Auf dem Laufsteg im Parkett sangen u.a. Kristina Stanek (Mezzosopran) und Kartal Karagedik (Bariton).

Alessandro Di Marchi dirigierte auf der Staatsopern-Bühne eine Rossini-Gala. Auf dem Laufsteg im Parkett sangen u.a. Kristina Stanek (Mezzosopran) und Kartal Karagedik (Bariton).

Foto: Staatsoper Hamburg

Die Hamburgische Staatsoper stellte eine „Rossini-Gala“ als Stream ins Internet – eine ernüchternde Atmosphäre.

Hamburg. Nichts vor leibhaftig anwesendem Publikum im Saal spielen dürfen heißt nicht immer, dass man so rein gar nichts mehr machen kann. „Der ganze Spaß ist kostenlos“, verkündete Staatsopern-Intendant Georges Delnon, sichtlich um appetitmachende Euphorisierung bemüht, in einem Werbespot für die konzertante, rund 70-minütige Notwehr-Aktion an diesem Sonntag, die auf den leicht moussierenden Namen „Rossini-Gala“ getauft worden war.

Obwohl: Gratis oder nicht – „Gala“ ist dann doch ein nicht ganz kleines Wort für ein derartiges Konzert ins Geleerte, mit verkleinertem Orchester auf blanker Bühne statt unten im Graben. Mit ebenfalls verkleinerten musikalischen Möglichkeiten und keinerlei Publikums-Echo, dass den Mitwirkenden dort aus dem zuhörerlosen Zuhörer-Raum entgegenschweigt. Und dann auch noch Rossini. Opera-buffa-Vergnügungen, die sich auch durch spontane Situationskomik auszeichnen können, in der die Drahtseilakte Teil der Show sind und die Spielfreude vor den Augen und Ohren des Publikums ein wichtiger Treibstoff.

Stattdessen aber zeigt sich die eher ernüchternde Aufnahmestudio-Atmosphäre, die den Online-Gast nach dem Eintreten ins Parkett per Browser (und 15 Minuten Wartezeit wegen technischer Probleme) empfängt. Nur die Abendgarderobe und der dunke Dienst-Zwirn der Philharmoniker lässt noch erkennen, dass das hier keine Durchlaufprobe wird, sondern bereits das Hauptprogramm ist.

Rossini-Gala: Ganz sichere Klassiker, die immer gehen

Ein Großteil der Bühne ist für das Orchester verplant. Für die Einhaltung der vorgeschriebenen Sicherheitsabstände wurde eine Art Solisten-Laufsteg über einige der ersten Parkett-Reihen installiert. Doch auch der Anblick des in den Streichen heruntergekürzten Tutti ist sehr gewöhnungsbedürftig. Und Blech und Pauke sind derart weit entfernt vom Dirigentenpult, dass sie für noch pünktliche Einsätze auf diese Distanz eigentlich schon ein Fernglas bräuchten.

Alessandro De Marchi muss diese klanglogistischen Komplikation immer mitdenken und unter Kontrolle behalten, bei jedem kleinen Gasgeben, bei jedem Abbremsen, um einen der vielen Melodieschlenker auszukosten und mit einer Prise Italianità zu würzen, damit das Ganze Pfeffer bekommt und nicht womöglich teutonisch klingt. Das klappt später besser als zu Beginn, De Marchi bleibt bis zum Finale weitgehend auf einem soliden Mittelweg.

Von der Rossini-Speisekarte gibt es deswegen auch nur die ganz sicheren Klassiker, die immer gehen und die jeder kennt, Opern-Portiönchen mit Mitsumm-Geling-Garantie. Zum Warmwerden spult De Marchi die Ouvertüre zu „La Gazza Ladra“ ab, und während das Orchester noch sein Temperaments-Zentrum sucht, bleibt zuhause vor dem Fernseher genügend Zeit, um in den Einstellungen der Heimkino-Lautsprecher nach Optimierungsmöglichkeiten gegen den präsenten Hall eines leeren Opernhauses zu fahnden.

Bei den ersten Nummern aus „L’italiana in Algeri“, Isabellas „Cruda sorte“ und dem Duett mit Taddeo, haben die volltönende Mezzosopranistin Kristina Stanek und der kräftig-elegante Bariton Kartal Karagedik noch nicht so ganz ins Spiel mit den Noten gefunden. Dafür hat das Orchester anschließend hörbarer Spaß an der „Barbiere“-Ouvertüre: Die Bläser-Soli blühen launig auf, aus Sonntags-Dienst und Arbeit wird Vergnügen, und vor dem Wohnzimmer-Bildschirm kann, ganz ohne wütendes Dazwischengehen von Sitznachbarn, an der einen oder anderen Stelle mitgepfiffen und noch etwas Kaffee nachgeschenkt werden. Auch mal schön. Der Rest ist ein „Barbiere“-Best-of, und die drei anwesenden Stimmen machen das Bestmögliche aus dieser Situation.

Als Pandemie-Pantomime gibt es einige Verbeugungen

Oleksiy Palchykov beeindruckt mit Graf Almavivas Cavatine als strahlend schmachtender Tenor, gefolgt von Karagediks Barbier-Hit „Largo al factotum“, bei dem er sich, so gut es unter diesen erschwerenden Umständen geht, spätestens für seine „Figarofigarofigarofiiiigarooo...!“-Pointen einen Szenenapplaus verdient hätte. Ihren bravourösesten und schönsten Auftritt hat anschließend Kristina Stanek in Rosinas „Una voce poco fa“, auch wenn die Koloraturen nicht mit dem übermütigen Ausreizen des Tempos funkeln, das diese Arie zum Bravour-Stück machen kann.

Normalerweise kämen jetzt, nach dem Zieleinlauf mit einem Terzett, die „Bravi!“-Rufe, vielleicht auch einige Buher, der Applaus und die Begeisterung, die solch ein Konzert auslöst und verdient. Der unmittelbar spürbare Dank als gefühlte Energie. Hier aber kommen lediglich einige gesichtsmaskierte Menschen mit Blumensträußen in die Gasse zwischen Bühne und Vorbau. Als Pandemie-Pantomime gibt es einige Verbeugungen für die Kameras und dann, bevor es wieder zurückgeht in die nächste Generalpause: den Abspann. Und für den 14. Dezember steht eine „Fledermaus“-Premiere im Staatsopern-Spielplan.

Das Konzert ist bis Ende November als Streaming-Angebot auf www.staatsoper-hamburg.de kostenfrei abrufbar.

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