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Neu im Kino: Als der große Stromkrieg tobte

| Lesedauer: 6 Minuten
Peter Zander
Harte Konkurrenten: George Westinghouse (Michael Shannon, links) und Thomas Edison (Benedict Cumberbatch).

Harte Konkurrenten: George Westinghouse (Michael Shannon, links) und Thomas Edison (Benedict Cumberbatch).

Foto: - / dpa

„Edison – Ein Leben voller Licht“ hat viele Stars zu bieten, aber das Thema wird leider recht konventionell abgehakt.

Hamburg. Bei Strom, das haben wir in der Schule gelernt, geht es um Spannung. Und um Widerstand. Spannung und Widerstand gab es aber auch reichlich bei der Einführung der Elektrizität, davon handelt der Film „Edison – Ein Leben voller Licht“. Ein Film, der nicht, wie der deutsche Titel vermuten lässt, ein Biopic über Thomas Edison ist, sondern vielmehr vom sogenannten Stromkrieg in den 1890er-Jahren handelt, worauf denn auch der Originaltitel „The Current War“ verweist: den Krieg also zwischen Gleichspannung oder Wechselspannung, zwischen Thomas Alva Edison (1847–1931), der den ersteren vertrat, und George Westinghouse (1846–1914), der den zweiten favorisierte.

Bei dem Stromkrieg handelte es sich um den ersten „Formatkrieg“ der Industriegeschichte, dem viele weitere folgen sollten, etwa bei Videokassetten zwischen VHS und Betamax. Aber keiner war so entscheidend wie der erste, keiner wurde wohl auch verbissener geführt. Und auch wenn Thomas Edison als Inbegriff des Erfinders gilt und man den Namen Westinghouse eher im Lexikon nachschlagen muss: Edison zog hier den Kürzeren. Das Beharren auf den Gleichstrom sollte er später als größten Fehler seines Lebens bezeichnen. Da war er freilich schon in hohem Alter – und Westinghouse längst tot.

Edison hilft, den Elektrischen Stuhl zu entwickeln

Spannung und Widerstand: Die herrschten zur Genüge auch bei dieser Auseinandersetzung. Und das war, so zeigt es dieser star-besetzte Film von Alfonso Gomez-Rejon, auch eine Frage des Temperaments. Edison, verkörpert von Benedict Cumberbatch, ist ganz der eitle Erfinder, der unter all seine Produkte seinen Namen prägen muss, der seine Mitarbeiter immerzu antreibt und ihre Errungenschaften dann als die eigenen erklärt. Gegen Westinghouse führt er die härtesten Bandagen – und nutzt dafür die ihm wohlwollende Presse.

Westinghouses Wechselspannung ist die viel geeignetere Technik, um ein großflächiges Stromnetz aufzubauen und die gesamten USA mit Elektrizität zu versorgen. Edison aber setzt das in Gang, was man heute Fake News nennen würde. Und behauptet, bei Wechselspannung würden die Nutzer tödliche Stromstöße erleiden. Er beteiligt sich sogar heimlich an einer vom Staat vorangetriebenen Entwicklung: dem Elektrischen Stuhl. Und meinte dann süffisant, wenn man Menschen schon auf solche Weise töten würde, sollte man das Verfahren auch „westinghousen“ nennen.

Westinghouse (Michael Shannon) ist dagegen der Besonnene, Uneitle, der immer nur ans Gemeinwohl denkt. Er ist auch der bessere Unternehmer, dem am Wohl seiner Angestellten liegt, der bessere Ehemann sowieso. Gleich zu Beginn des Films will er seinem Kontrahenten einen großen Bahnhof machen und richtet ihm einen Empfang aus. Er will ihn sogar persönlich am Bahnhof abholen, doch Edison lässt den Zug durchbrausen und zieht an ihm vorbei.

Für Spannung sorgt schon die Besetzung

Sie werden sich in diesem Film nur zwei Mal begegnen. Einmal im Gerichtssaal, wo Edison Rede und Antwort stehen muss und Westinghouse als Zuhörer in der letzten Reihe sitzt. Denn von Edison in die Enge getrieben, greift Westinghouse schließlich zu dessen Methoden. Und macht öffentlich, dass Edison an der Erbauung der Tötungsmaschine beteiligt war. Und dann treffen sie sich noch einmal auf der Weltausstellung in Chicago 1893. Da hat sich die Wechselspannung längst als die richtige Methode herausgestellt, alle Finanziers sind von Edison abgesprungen und zu Westinghouse gewechselt. Aber immer noch ist Edison nicht zu der Zusammenarbeit bereit, die Westinghouse immer wollte.

Spannung und Widerstand, das sollte auch diesen Film ausmachen. Und für Spannung ist ja schon insofern gesorgt, als hier gleich vier Stars mitspielen, die man auch als Superhelden aus Comic-Verfilmungen kennt: Neben Cumberbatch, dem Dr. Strange bei den „Avengers“, und Shannon, der in den jüngeren „Superman“-Filmen dessen Widerpart Zod spielt, sind noch der amtierende „Spiderman“ Tom Holland als Edisons Sekretär Samuel Insull zu sehen sowie Nicholas Hoult, das blaue Beast aus der zweiten Generation der „X-Men“, als Tüftler Nikola Tesla, der anfangs für Edison arbeitet und dann zu Westinghouse wechselt – was stromkriegsentscheidend wird. Lauter Comic-Lichtgestalten also, wobei ironischerweise der einzige Schurke unter ihnen hier zum größten Sympathieträger wird.

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Doch die Spannung, sie überträgt sich nicht im Film. Die Stars stehen nicht unter Strom. Der „Krieg“ wird brav abgehakt wie in einem Studienkolleg. Und ganz ohne filmische Finessen. Obwohl Edison doch auch der Vater der Kinematographie ist. Dass der Film schon drei Jahre alt ist und erst jetzt ins Kino kommt, hat aber nicht nur damit zu tun, dass die Verleiher vielleicht nicht so recht an ihn glauben mögen. Koproduziert wurde „Edison“ nicht nur von Cumberbatch und Martin Scorsese, sondern auch von Harvey Weinstein, der kurz nach Drehschluss wegen sexuellen Missbrauchs angeklagt wurde.

Der Film wurde deshalb erst mal auf Eis gelegt, Weinsteins Name aus den Credits getilgt. Die lange Wartezeit hat dem Film nicht genutzt. Im Gegenteil: Am 20. August startet schon ein neuer Film zum Thema, „Tesla“, diesmal mit Ethan Hawke als Tesla und Kyle MacLachlan als Edison. Zwei Hollywoodproduktionen fast zur selben Zeit zum gleichen Thema: Das ist ein Stromkrieg ganz anderer Art.

„Edison“ 99 Minuten, ab 6 Jahren, läuft im Blankeneser, Holi, Savoy (OF)

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