Hamburg. In Miranda hängt der Himmel nicht voller Geigen, sondern voller Bratschen. Schon mit drei Jahren kann und will jedes mirandolesische Kind dort die größere Cousine der Geige spielen, und alle verstehen dort alle Sprachen. Das Paradies auf Erden also. Aber, leider, komplett frei erfunden. Wo genau dieses Miranda liegt?
Im östlichsten Westen des südlichsten Nordzipfels von Südamerika. Alles andere, was man noch nie geahnt hatte, bringt die Bratschengruppe des NDR Elbphilharmonie Orchesters demnächst als Musik-Theaterstück auf die Bühne. Vom „Internationalen Nationalorchester von Miranda“ soll bei seinem allerersten Auslandsauftritt formationsgetanzt werden und gesungen, in farbenfrohen, formschönen Kostümen.
Elbphilharmonie: Instrument Bratsche wird oft beschimpft
Klar, gebratscht wird auch, ausgiebig, kreuz und quer, von den Beatles bis Grieg. Und, natürlich, die großen mirandolesischen Klassiker.Pateneltern dieser Expedition mit Noten sind der Schauspieler-Musiker Clemens Sienknecht und die Regisseurin-Texterin Bettina Bürk.
Mit diversen Klassiker-Verschönerungen nach der Spielregel „… allerdings mit anderem Text und auch anderer Melodie“ haben die beiden dem Schauspielhaus schon mehrere ungemein putzige Abende beschert. Nun aber keine singenden Schauspieler, sondern spielende Musikerinnen und Musiker, spezieller noch: Bratscherinnen und Bratscher.
Wer sich traut, eine bratschenspielende Person nach dem liebsten, besten Bratschenwitz zu fragen, bloß weil es drei Millionen gibt und die Bratsche gern als Dieselgeige beschimpft wird, gespielt von den Ostfriesen im Orchester – wer sich das traut, wird vom Gegenüber zu Recht mit Geringschätzung gestraft. „Die interessieren uns nicht“, sagt Bürk dazu nur. Fertig.
Bratschen-Abend: Erstmal nur zwei Vorstellungen
Jan Larsen ist NDR-Bratscher, er war es, der, noch vor Corona, nach dem „Effi Briest“-Abend im Schauspielhaus die Idee hatte, eine Zusammenarbeit anzuregen. „Ich fand das in allen Belangen so auf den Punkt, dass ich dachte, so etwas will ich auch, aber eben mit unseren Mitteln“, erinnert er sich. Einige Kantinentreffen später wurde es konkreter.
Die Bratschengruppe besichtigte das Stück und den Umgang mit Musik, danach wurde sehr basisdemokratisch entschieden: Wir machen das. Geprobt wird seit Juni. Die Kulisse musste sich das Inszenierungsteam selber organisieren, dazu kam ein bisschen was aus dem NDR-Fundus, für Maske und Licht sind Profis aus dem Schauspielhaus dabei.
Erst mal sollen „Die Bratschen von Miranda“ im Rolf-Liebermann-Studio ihren Liebreiz „nur“ an zwei Abenden verströmen, doch dabei soll es nicht bleiben. Das Umtopfen der Produktion ins Schauspielhaus sei grundsätzlich nicht unmöglich, sagt Bürk. Und, wenn schon denn schon, Elbphilharmonie? „Zu klein“, witzelt Sienknecht.
Elbphilharmonie: Neue Erfahrung für Orchestermitglieder
Die Stück-Produktion, für die bei vielen Spazierrunden im Stadtpark Ideen gesammelt wurden, entstand gemeinschaftlich. Ein nicht-mirandolesischer Überraschungsgast per Video – mehr soll nicht verraten werden – wird ein nicht ganz unbekannter Dirigent sein, der sich wohlwollendst über die Qualitäten der Bratsche an sich und weltweit äußert.
Wie auch sonst. Raus aus dem Orchesterstreicher-Kollektiv, das stark auf Verschmelzung zielt, hin zur anders körpergespannten Sichtbarkeit einer einzelnen Person auf einer Sprech-Bühne, das ist schon für Nicht-Orchestermitglieder keine einfache oder ganz unriskante Angelegenheit, berichtet Larsen über die Proben und die Motivation.
- Joana Mallwitz fällt krank aus – Programmänderung
- Beim nächsten Glockenschlag ist es Zeit für Bruckner
- Gegen den drohenden Herbstblues – hinaus ins Vergnügen
„Natürlich sind wir es gewohnt, auf einer Bühne zu stehen. Aber uns und auch das Team Bürk/Sienknecht hat bei dieser gemeinsamen Arbeit interessiert, es auf eine andere und völlig neue Art und Weise zu tun. Und das Tolle war, dass von Anfang an alle aus der Bratschengruppe mit im Boot waren.“
„Die Bratschen von Miranda“ Mo 21. / Di 22.11., jew. 20.00, Rolf-Liebermann-Studio, Karten und Info: www.elbphilharmonie.de
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Bühne