Schauspielhaus Hamburg

Jetzt kommen die Stars hinter den Kulissen ins Rampenlicht

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Eigentlich sind diese Menschen am Schauspielhaus in Hamburg dafür zuständig, dass der Betrieb hinter den Kulissen läuft. Diesmal spielen sie.

Eigentlich sind diese Menschen am Schauspielhaus in Hamburg dafür zuständig, dass der Betrieb hinter den Kulissen läuft. Diesmal spielen sie.

Foto: Niklas Marc Heinecke

Die Putzfrau, der Theaterarzt – eigentlich sorgen sie dafür, dass es hinter den Kulissen läuft. Jetzt gehen sie selbst auf die Bühne.

Hamburg.  Ihre Gesichter kennt man nur manchmal. Das von Ana Buka etwa, die dem Publikum des Schauspielhauses stets zugewandt am Einlass begegnet. Oder jenes des Theaterarztes Axel Othmer, der bei unzähligen Vorstellungen im Saal präsent ist, falls ein medizinischer Notfall passiert. Eigentlich arbeiten sie am Schauspielhaus im Hintergrund, während andere auf der Bühne glänzen. Ute Hannig zum Beispiel, Schauspielerin und engagiertes Ensemblemitglied. Sie und die Psychologin Pia Düsterhus haben nun Teile der erweiterten Belegschaft ins Rampenlicht geholt.

„Zwischen den Sternen“ lautet der Titel der gemeinsam erarbeiteten Inszenierung im Rangfoyer. Sie ist Teil des Festivals „Backstage“, in dessen Aufführungen nicht professionelle Jugendliche und auch einige Erwachsene auf der Bühne stehen und das derzeit die Saison im Schauspielhaus beschließt.

Schauspielhaus: Die Reinigungskraft betritt mit Wischmopp die Bühne

Auf einer bis auf drei dampfende Kühlschränke und etliche Wasserflaschen leeren Bühne kommen neun Theatermitarbeiter und -mitarbeiterinnen zu Wort. Mit eigenen Texten und auch mit Fragmenten aus Tschechows „Möwe“ und Zeilen des Dramatikers Wolfram Lotz, die sich verblüffend gut mit den Alltagserlebnissen und -beschreibungen ergänzen. „Ihr fragt alle immer nach der Pause“, ereifert sich Ana Buka. „Das habe ich nie verstanden.“

Bühnenreinigerin Marianne Collasius betritt die Bühne mit ihrem Wischmopp, wie sie es an unzähligen Tagen seit 1990 getan hat. Nach kurz spürbarer Anspannung erzählt sie, wie sie um drei Uhr morgens aufsteht, wenn die Frühschicht ruft. Simon Pawlowsky arbeitet im Vorderhaus, doch er ist auch Schauspieler in Film und Theater. Hier legt er einen wirklich oscarreifen Wutausbruch hin als jemand, der verzweifelt Kontakt zu anderen Menschen im Theater sucht – auch zum Publikum. Requisiteur Ibrahim Kurt versenkt seine Hand effektvoll in einer Schüssel mit Kunstblut. Und Cecilia Koch, die in der Kantine arbeitet, verteilt gleich ein ganzes Reisgericht an Ensemble und Publikum.

Es sind sehr persönliche, oft humorvolle Miniaturen mit reizenden, aber auch ungeschönten Details, von Ute Hannig und Pia Düsterhus mit großem Einfühlungsvermögen collagiert. Für zahlreiche Lacher sorgen die Ankleider Monika Krombholz und Joachim Fricke, wenn sie erzählen, wie ein Schauspieler mit seiner Sporttasche auf der Schulter die Garderobe betritt und in einem Ritual erst Kerzen anzündet und in meditativer Stimmung auch mal das eine oder andere Glas Rotwein leert.

Die Ankleider haben mit ihm mitunter ihre liebe Not, nicht nur weil er in einer Umkleideszene unter Zeitdruck wie ein Baumstamm dasteht, sondern auch weil er alle Kostümteile gerne weiträumig verteilt.

Schauspielhaus: Das Publikum feiert einen erstaunlichen Abend

Der Abend ist inklusive einer Tanzszene präzise einstudiert und funktioniert als Theatererlebnis. Die Anspannung der ungewohnten Bühnensituation löst sich rasch. Das Publikum feiert diesen erstaunlichen Abend jedenfalls, der auf kluge Weise viel Menschlichkeit, aber auch einen nachdenklich stimmenden Subtext über das Verhältnis von Mensch und Arbeit transportiert. Und der jenen Menschen zu Sichtbarkeit verhilft, die normalerweise im Verborgenen und Leisen wirken.

Backstage Festival 2023 bis 6.7., Infos und Karten unter www.schauspielhaus.de