Hamburg. Der Zufall wollte es so, aber dann ist daraus eine Leidenschaft geworden. Das ist der Satz, den Volker sich als Texteinstieg gewünscht hatte, sollte je ein Artikel über ihn erscheinen und nicht – wie es als Journalist die Regel war – ein Text von ihm. Dass es nun diese Zeilen werden würden, hat sich niemand gewünscht und niemand vorstellen können.
Es ist das, was er geantwortet hat, als man ihn einmal fragte, warum er eigentlich Journalist geworden ist. Der Zufall wollte es so, aber dann ist daraus eine Leidenschaft geworden. Vielleicht kann man das um einen kleinen Halbsatz ergänzen: Die Leidenschaft nämlich war es, die überhaupt erst zum Zufall Journalismus führte. Die Leidenschaft für Bücher und für das Kino, die war zuerst da.
Volker Behrens war 22 Jahre beim Hamburger Abendblatt
Volker war 22 Jahre beim Abendblatt, ursprünglich beim LIVE-Magazin, vorher war er bei den „Kieler Nachrichten“. In Kiel hatte er studiert, in Englisch promoviert. Beidem blieb er immer verbunden: der Stadt an der Förde und Großbritannien. 1982 war er in Kent Assistant Teacher, und Volkers Lieblingsautoren waren durch und durch britisch: Er liebte Julian Barnes, er schätzte Ian McEwan und Nick Hornby. Und weil er auch dem nordischen Wesen sehr zugeneigt war (nicht nur kulturell: erst kürzlich erzählte er begeistert von einem Trip nach Oslo, und wenn Volker Lakritze oder Gummibärchen mitbrachte, waren es meist skandinavische), las er auch gerne Karl Ove Knausgård. Den hatte er übrigens längst getroffen, als dieser vor zehn Jahren weltberühmt wurde.
Volker, der Kollege mit dem verschmitzt-ironischen Lächeln hinter seinem Bart, traf sie alle – also diejenigen, für deren Werk, ob auf der Kinoleinwand oder zwischen zwei Buchdeckeln, er sich interessierte. Er ist wohl genau deswegen Journalist geworden: um Begegnungen mit seinen Heldinnen und Helden zu sammeln. Den Hamburger Regisseur Fatih Akin hat er von Beginn an begleitet, sein Buch „Im Clinch“, die Geschichte seiner Filme, hat er gemeinsam mit dem Hamburger Autor Michael Töteberg herausgegeben.
Wir trauern um unseren Kollegen Volker Behrens
Noch am Tag seines Todes erschien eine Glosse von Volker auf der ersten Seite, über einen texanischen Tierpark, in dem man sich besonders skurril an seinen Ex-Partnern rächen konnte. Solche kleinen Geschichten mochte Volker. Er hatte überhaupt einen Sinn fürs Döntjes-Erzählen. Kaum eine Konferenz verging, ohne dass ihm eine Begegnung einfiel, mit einer Schauspielerin, die ihm in den Zeisehallen in die Arme gefallen war, oder einem Schriftsteller, der sich an einem Interviewtag merkwürdig verhalten hatte.
Um zu verstehen, wer Volker war, sei ergänzt: Er ließ all das seine Kolleginnen und Kollegen meist eher beiläufig wissen. Prahlte nicht mit Interviews und auch nicht mit seinem Netzwerk. Zu vielen und vielem fiel ihm etwas ein, er schrieb über Sting und die „Sesamstraße“, sprach mit Elif Shafak und immer wieder mit Feridun Zaimoglu, seinem alten Bekannten aus Kiel. Als er vor einigen Jahren mit einem Kollegen aus Hamburg zum Interview in die schleswig-holsteinische Hauptstadt fuhr, fand er den Weg zur Wohnung des Autors praktisch blind und wusste auch schon längst, was einen dort erwartete: Zaimoglus Gartenzwerg-Sammlung.
Man täuscht sich sicher nicht, wenn man feststellt, dass Volkers Blick zum Ende seines Berufslebens hin oft zurückging. Als wollte er seine Jahre mit dem Journalismus sortieren und den jüngeren Kollegen noch etwas mitgeben, ehe er den Stift aus der Hand legte. Für neue TV-Formate, für das Programm des Hamburger Filmfests, bei dem er noch 2022 in der Jury saß, interessierte er sich dennoch. Er, der gerne kochte – niemand gab so großzügig Salz ans Nudelwasser wie er –, wusste, wie sehr Kunst und Kultur dem Leben und dem Alltag Würze zu geben imstande sind.
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Jetzt fehlst du uns, lieber Volker
Es ist besonders tragisch, dass Volker, der sich auch auf die Zeit nach dem Berufsleben freute, nun gestorben ist, als das Ziel nach einem leidenschaftlich begangenen, arbeitsreichen, mit steten Veränderungen verbundenen Weg schon in Sicht war. Wenn seine Kulturredaktion im Homeoffice digital konferierte, saß er verlässlich vor der Kamera in seinem Arbeitszimmer, und hinter ihm hing ebenso verlässlich das Kinoplakat des Malick-Films „The Tree of Life“. Wenn Volkers Leben ein Baum war, dann einer mit vielen Ästen. Einer für jeden Film und jedes Buch, den er gesehen und das er gelesen hat. Einer seiner letzten Texte war ein Nachruf, auf den Musiker David Crosby. „Er wird der Musikwelt fehlen“, schrieb er.
So ist das nun auch mit dir, lieber Volker. Jetzt fehlst du uns.
Die Kulturredaktion
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