Hamburg. Noch kein Jahr ist er in Deutschland, hat hier seinen ersten Film produziert und gleich den Ritterschlag erhalten: eine Einladung zur Berlinale. Ein wenig unrealistisch-märchenhaft wirkt sie schon, die Geschichte des Farzad Pak. Ganz besonders angesichts der Umstände, denn: Die Welt sah noch ganz anders aus, als der Iraner am 31. Januar des vergangenen Jahres nach Hamburg kam.
Seine erste Deutschland-Reise war das damals, und er hatte sie nicht aus touristischen, sondern aus beruflichen Gründen angetreten. Der Film „Doch das Böse gibt es nicht“ seines Freundes und Kollegen Mohammad Rasoulof sollte im Wettbewerb der Berlinale laufen und befand sich in Hamburg in der Postproduktion. Als Produzent legte Pak mit seinem Team hier letzte Hand an.
Grundsätzliche Gelassenheit
Rasoulof, im Iran wegen angeblicher „Propaganda gegen das System“ angeklagt und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, konnte einige Wochen später nicht zum Filmfestival reisen. Was tragisch war, denn sein Drama gewann den Goldenen Bären. In diesem Jahr sitzt er sogar in der (virtuellen) Berlinale-Jury. Normalerweise wäre „Doch das Böse gibt es nicht“ mit einer solchen Auszeichnung anschließend überall auf der Welt in die Kinos gekommen – aber dann: Corona. Die Branche war verunsichert, die Kinos schlossen, und Farzad Pak konnte nicht mehr nach Teheran zurückkehren.
Gestrandet in einem fremden Land, dessen Sprache er nicht spricht und das in einer bisher unbekannten Pandemie-Situation: Es gehört schon einiges dazu, in einer solchen Lage die Nerven zu behalten. Doch wer den 43-Jährigen trifft, spürt sofort seine grundsätzliche Gelassenheit, die ihn vor Panikreaktionen bewahrt haben dürfte. Mit Bedacht wählt er seine Worte, ist zurückhaltend und aufmerksam zugleich. „Ich kann mich recht gut an neue Umstände anpassen“, bestätigt Pak mit einem Lächeln. „Aber dass ich nie Heimweh entwickelt habe, liegt vor allem daran, dass man sich in Hamburg so gut um mich gekümmert hat.“
Über eine Stiftung bekam Pak ein Jahresstipendium
Der wohl wichtigste Kümmerer war Filmfest-Chef Albert Wiederspiel, der sofort Kontakt zu Kultursenator Carsten Brosda aufnahm, als er von Farzad Paks Situation erfuhr – und der SPD-Politiker hatte eine Idee. Über eine Stiftung bekam Pak ein Jahresstipendium, ebenso wichtig war aber die Fürsorge von Wiederspiel, über den Pak heute sagt: „Er ist wie ein Bruder für mich.“.
Auch wenn der Kontakt zunächst eher beruflicher Natur war – Wiederspiel hatte in der Vergangenheit immer wieder Filme iranischer Regisseure und Regisseurinnen beim Filmfest Hamburg gezeigt –, ist daraus längst mehr geworden. Seinem Mann Gustav Peter Wöhler und ihm sei sofort klar gewesen, „dass man jemanden in dieser Corona-Situation nicht allein in seinem Apartment sitzen lassen kann“, sagt Wiederspiel und legt eine Hand auf Paks Arm. Inzwischen sei man eng befreundet und sehe sich beinahe täglich.
Unabhängiger Produzent bei internationalen Filmen
Jedenfalls wenn es Farzad Paks enger Zeitplan zulässt, denn längst hat er sich mit der neuen Situation nicht nur arrangiert, sondern sie genutzt, um sich den lange gehegten Traum von einer internationalen Filmproduktionsfirma zu erfüllen. Schon während des Englisch-Studiums in Teheran hatte er begonnen, als Assistent in einer Firma zu arbeiten, die verschiedene Fernsehformate von der Live-Show bis zur TV-Serie produzierte.
Da war er gerade mal Anfang 20. Später wurde er unabhängiger Produzent bei internationalen Filmen, und jetzt, unter diesen eigentlich so ungünstigen Umständen, nimmt das Ganze richtig Fahrt auf. Das Drama „District Terminal“ von Bardia Yadegari und Ehsan Mirhosseini, das Pak produziert, wurde von der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein (FFHSS) mit 35.000 Euro gefördert. Dass es nun auf der Berlinale in der Reihe „Encounters“ gezeigt wird und in der Branche große Aufmerksamkeit bekommt, ist für alle Seiten ein Grund zur Freude.
Lesen Sie auch:
Sehr dankbar sei er für die Unterstützung, sagt Pak, insbesondere Filmförderungschef Helge Albers habe sofort an dieses Projekt geglaubt. Albers betrachtet Farzad Pak, der als Durchreisender kam, inzwischen als „festen Bestandteil der Hamburger Filmszene“, und das nächste PakFilm-Projekt, ein Psychodrama mit dem Arbeitstitel „I Was Home When I Got There“ der Regisseurin Mahnaz Mohammadi hat bereits eine kleine Unterstützung bekommen: Der Film soll noch in diesem Jahr in Hamburg und im Ausland gedreht werden.
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Kultur & Live