Jubiläum an der Staatsoper

Das Motto der Staatsopern-Förderer: „Pecunia pro opera“

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Stiftungsgeschäftsführerin Ingrid von Heimendahl mit Berthold Brinkmann (l.) und Jürgen Abraham im Opern-Parkett.

Stiftungsgeschäftsführerin Ingrid von Heimendahl mit Berthold Brinkmann (l.) und Jürgen Abraham im Opern-Parkett.

Foto: J.Joost

Ihre Mitglieder sind treu und begeisterungsfähig: Aber die Opernstiftung Hamburg steht zum 60. Jubiläum vor neuen Herausforderungen.

Hamburg.  Als alles begann, formulierte einer der Gründerväter eine Verhandlungstaktik, die man sich leisten können musste, die aber auch etwas jovial Zuversichtliches hat: „Kunst ist nicht mit Kleingeld zu haben.“ Mit freundlichen Grüßen, Kurt A. Körber, Unternehmer und legendärer Kultur-Mäzen. Am 6. Dezember 1960 war es, dass die „Stiftung zur Förderung der Hamburgischen Staatsoper“ ihre Arbeit aufnahm und Körber & Co. dafür die ersten von unzähligen Klingelbeutel-Runden machte.

Ganz andere Zeiten waren das, ganz andere Ansprüche und Perspektiven darauf, was ein so traditionsreiches Opernhaus wie dieses sein und für sein Publikum darstellen sollte. Klar war nur eines, damals wie heute: Umsonst ist so etwas nicht zu haben. Damals wurden solvente Hanseatinnen und Hanseaten wohlwollenden Gemütsmassagen durch gute Bekannte unterzogen, heute ist außerdem der Daseinszweck am Eingang der Stiftungs-Homepage angebracht, unübersehbar: „Pecunia pro opera“, soll meinen: Geld für Gesang. Von nichts klingt nichts. Das Stiftungsvermögen beläuft sich auf etwa zwölf Millionen Euro, jährlich wird etwa eine Million Euro zur Unterstützung der Oper ausgegeben, für Projekte wie das Internationalen Opernstudio, die Opera stabile oder die Opera piccola.

Corona-Pandemie hat den Opern-Spielplan abgeschaltet

Momentan allerdings ist Kunst auch mit großen Scheinen nicht zu haben, die Corona-Pandemie hat auch den Opern-Spielplan abgeschaltet. Die unmittelbare Konsequenz für diesen Freundeskreis mit etwa 250 Mitgliedern und ihre Förderung konkreter Aufführungen ist schnell erzählt, sagt Jürgen Abraham, stellvertretender Vorsitzender: „Im Moment können wir das Geld nicht ausgeben, was wir budgetiert haben. Das wird in die Rücklage gepackt und wenn es gebraucht wird, ist es da.“ Der Vorsitzende Berthold Brinkmann ergänzt weitere aktuelle Abnehmer: Die gerade erst am Karriereanfang stehenden Ex-Mitglieder des Internationalen Opernstudios beispielsweise, die momentan keine Engagements finden.

Gemeinsam mit der Oper wurde ein Stipendium über sechs Monate eingerichtet, für Sängerinnen und Sänger ohne Festanstellung, denen Corona den Kalender geleert hat. Zunächst läuft diese Unterstützung bis Ende des Jahres. „Dann werden wir uns im Kuratorium zusammensetzen und überlegen, wie es weitergeht“, berichtet Geschäftsführerin Ingrid von Heimendahl. Momentan gibt es zwei nahende Förderprojekte, bei denen man hofft, Stiftungsgeld auszugeben: die Beethoven-Ballett-Premiere am 6. Dezember und die „Fledermaus“-Premiere am 14. Dezember.

Klar ist, dass eine so treue Fanbase wie diese Stifter-Runde zukünftig deutlich wichtiger sein wird, um Lücken zu schließen und Projekte zu ermöglichen. Daueraufträge sind keine Selbstverständlichkeit, es gibt keine Monats- oder Jahresbeiträge, keine festgelegten Überweisungs-Quoten. „Jeder entscheidet sich jedes Jahr neu, ob er zahlt“, sagt Brinkmann. „Und die Förderer der Oper sind ihr über Jahrzehnte treu.“

In Zukunft neue Formate gemeinsam finden

Gerade jetzt, wo man sich nicht vor, während und nach Aufführungen trifft, wird der Kontakt zueinander gehalten und verstärkt. „Wir arbeiten ganz eng mit der Oper zusammen, auch bei Themen, die nicht unbedingt direkt mit Geld zu tun habe“, berichtet Brinkmann, das ginge von Steuerfragen über Beratungen wegen Kurzarbeitergeld bis zur Wohnungsbeschaffung für Künstler. Verbindungen und kurze Dienstwege können da schnell helfen. Zukünftig soll es aber nicht mehr ausschließlich ums Geldsammeln gehen, sondern auch um das „gemeinsame Finden von neuen Formaten“. Die Stifterlounge soll für kleinere Veranstaltungen genutzt werden, man wolle mit den Förderern auch in die Häuser der Stadt.

Ein wichtiger Aspekt der Stiftungsarbeit dürfte das unauffällige Lenken von Spenderwünschen sein, falls jemand sehr betont, dass er mit neumodischem Regie-Klimbim nichts anfangen kann und wehe, er solle dafür auch noch sein Geld hergeben. „Solche Stimmen sind da“, berichtet Abraham, „aber das ist ganz klar eine Minderheit.“ Probates Entwaffnungsmittel dieser Argumente seien die „Italienischen Opernwochen“, erklärt von Heimendahl, „großartige Stimmen, tolle, zum Teil auch klassische Aufführungen. Damit fangen wir sie wieder ein. Wir gehen sehr gern in Vorleistung“, sagt sie auch.

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Vor entsprechenden Abenden wird beratschlagt, wer zur Motivationsförderung eingeladen werden sollte, „und in der Regel sind sie begeistert.“ Betreutes Hören wirkt manchmal kleine Wunder: Nach einem Generalproben-Besuch von Schönbergs „Pierrot lunaire“, nicht direkt ein Publikumsrenner, und einer Werkeinführung durch Intendant Georges Delnon war die Begeisterung über das Neue so groß, dass per WhatsApp nach Mitternacht noch Anfragen für Premierenkarten eintrafen.

Man könnte vermuten, dass der glamouröse Neubau Elbphilharmonie dem 50er-Jahre-Bau Staatsoper die Spendenakquise erschwert hat. „Ich würde das verneinen“, entgegnet Abraham aber, „es ist auch keiner ausgestiegen. Sie sind uns treu geblieben.“ „Die Elbphilharmonie ist ein Gebäude – die Oper ist eine Oper, das ist schon ein Unterschied“, sagt Brinkmann. „Unsere Freunde lieben die Oper, sie brauchen diesen dunklen Saal, das Orchester im Graben, die großen Stimmen“, ergänzt von Heimendahl.

Abraham ist Fleischfabrikant, Brinkmann Fachanwalt für Steuerrecht. Andere Welten. Doch beide hatten ähnlich frühe Erweckungserlebnisse, die für viele Opern-Stammgäste typisch sein dürften. Bei Abraham war es mit 14, in Cuxhaven, im Gesellschaftshaus „Zur Sonne“, eine Matinee mit einem großen Orchester aus Niedersachsen. „Das hat mich so fasziniert, dass ich seitdem dieser Musik treu geblieben bin. Bei uns zu Hause wurde ja eher Schlagerparade gehört ... .“

Bei Telefonaten gab es vom Vorsitzenden klare Ansagen

Das erste Lehrlingsgeld ging für Platten mit den Beethoven-Sinfonien drauf, die Lieblingsoper ist dann auch Beethovens „Fidelio“, und „Künstlerinnen und Künstler kennenzulernen begeistert mich nach wie vor“. Brinkmann, der eines von neun Kindern war, erzählt: „Mit 15 habe ich einen Jugend-Besucherring gegründet, mit dem wir mit dem Bus nach Oldenburg ins Staatstheater fuhren. So fing das an. In Berlin die Philharmonie, nach der Uni für fünf Mark auf den Podiumsplätzen. Das hat gehalten.“ Brinkmanns Lieblingsoper: die Salzburger „Traviata“ 2005 mit Netrebko, Villazón und Hampson, „da hab ich im Parkett gesessen und geweint, weil ich dachte, schöner geht’s nicht.“

Nicht alle, die etwas zum Stiftungstun beitragen könnten, wollen deswegen auch sofort. Die Bandbreite der Ausflüchte ist groß, das geht bis zu „Ich spende schon so viel bei so vielen …“ und „Meine Spendenbescheinigungen werden nicht mehr anerkannt ...“. Für solche Fälle, erinnert sich Brinkmann, begann der frühere Stiftungsvorsitzende Wolf-Jürgen Wünsche Telefonate gern mit der ersten Ansage „Ich rufe in einer Angelegenheit an, die für Hamburg von großer Bedeutung ist.“ Die zweite, die oft den Punkt machte, lautete: „Oper ist nicht wirtschaftlich, aber wesentlich für unsere Stadt.“ Manche Dinge ändern sich hier offenbar doch nicht.

Infos: www.opernstiftung-hamburg.de