Hamburg. Lange zehn Jahre ist es her, dass der Hamburger Autor Frank Göhre mit „Der Auserwählte“ seinen letzten Krimi veröffentlicht hatte. Dieser Tage ist mit „Verdammte Liebe Amsterdam“ ein neuer Roman des großen alten Mannes der deutschen Kriminalliteratur erschienen. Zwar ist es mit knapp 160 Seiten ein eher schmaler Band geworden, fraglos aber ist es ein großer Wurf.
Göhre erzählt darin die Geschichte des Hamburger Restaurantbesitzers Schorsch, der während eines Kurzurlaubs auf einer Nordseeinsel die Nachricht erhält, dass sein Bruder Michael auf einem Autobahnrastplatz in der Nähe von Köln tot aufgefunden worden ist, offenbar wurde er erschlagen. Eigentlich hatten die Brüder keinen Kontakt mehr, zu unterschiedlich waren sie, Streit gab es oft, man hatte sich auseinandergelebt. Aber Bruder bleibt Bruder, Blut verbindet halt, und so macht sich Schorsch auf, den Mörder seines Bruders zu finden.
Hamburg, Köln, Amsterdam, vor allem Amsterdam, sind die Stationen der Reise, die Schorsch antritt. Es sind zumeist Orte fernab des touristischen Trubels, die der Suchende durchstreift, dunkle, schmutzige Orte, wo das Leben immer auch Überleben ist, ein alltäglicher Kampf der Verlierer. Es sind punktgenaue Milieustudien, die Göhre aufruft.
Was für ein Leben hat Michael geführt? Hatte er etwa auch etwas zu schaffen mit dem 15-jährigen Mädchen, das seit einiger Zeit vermisst wird, Suse, die es zu Hause nicht mehr aushielt? Rasch merkt Schorsch, dass das Leben seines Bruders für ihn das Leben eines Unbekannten ist. Er befindet sich auf einer Fahrt in eine ihm fremde Welt.
In kurzen Rückblenden, Zeitsprüngen in die 1970er-Jahre, erzählt Göhre von der Jugend der Brüder, von ihrer frühen Rivalität, vom zerstörten Verhältnis zum Vater, von dem Hass der Brüder auf die Geliebte des Vaters. Von den Schattenseiten dieser Familiengeschichte.
Es ist vor allem die Art des Erzählens, die Frank Göhre, 76, ein Alleinstellungsmerkmal im deutschen Kriminalroman verleiht. Sein Stil ist hart, schnell, kurz sind meist die Sätze, mit wenigen Strichen entstehen klare Bilder von den handelnden Figuren, beginnt die Spannung zu vibrieren. Und Göhre, einst ein erfolgreicher Drehbuchautor („Tatort“, „Großstadtrevier“), schreibt ungemein filmisch, rasant sind seine Schnitttechnik und die Szenenwechsel, die Geschichte nimmt so sehr Tempo auf, dass sie manchmal ans Atemlose heranreicht, ohne dabei an Tiefe zu verlieren. Eine Dramaturgie, wie für die Leinwand geschaffen. Es ist dieser typische Göhre-Sound, der „Verdammte Liebe Amsterdam“ unbedingt lesenswert macht. Ein großes Comeback.
Frank Göhre: „Verdammte Liebe Amsterdam“, CulturBooks, 158 S., 15 Euro
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