Kultur

Theologisch hoch engagiert

Bei dem fantastischen Roman „Die Jüdin von Toledo“ von Lion Feuchtwanger habe ich die Welt vergessen. So spannend können historische Stoffe sein! Danach trockenere Kost, ein Quellenbuch zur Geschichte des Kirchenkampfes in Schleswig-Holstein. Aber ein Buch von persönlichem Interesse.

Zugegeben, ich denke und lese meistens interessengebunden. Das bewahrt mich jedenfalls vor dem Einschlafen. In den 400 Seiten ist mein Onkel vertreten. Mit einem Heft neben anderen Pastoren in 19 Heften. Titel: „Ein christliches Wort zum Mythos des Blutes“. Er war 1934 Pastor in Itzehoe und ist zweimal durch die Gestapo von der Kanzel geholt und verhaftet worden. Dennoch schrieb er die Streitschrift gegen die Göttlichkeit des nordischen Blutes. Die anderen 19 Autoren waren auch alle Gemeinde- und schlichte Landpastoren. Aber theologisch hoch engagiert.

Darunter ist auch ein Heft des späteren Bischofs Wilhelm Halfmann (1896– 1964), „Die Kirche und die Juden“. Ein schlimmes Produkt des Antijudaismus. Das hätte er nie schreiben dürfen. Andererseits argumentierte er in einem anderen Heft wie alle Autoren gegen die Ide­ologie der Nazi-Diktatur. Kirche wie so oft zwischen Anpassung und Widerstand.

Neu für mich: Die „Breklumer Hefte“ hatten eine Auflage von 100.000 – 450.000 und kosteten 10 Pfennig! Sie gelangten auf geheimen Wegen zu Sammelstellen im ganzen Deutschen Reich. Und das bei Gefahr für Leib und Leben. Das Buch wirft ein völlig anderes Licht auf die Bekennende Kirche damals.

Helge Adolphsen, Jahrgang 1940, war bis 2005 Hauptpastor am Hamburger Michel