Kultur

Der Roman als App

Thomas Andre

Thomas Andre

Es war nur eine Frage der Zeit, mag man sich als mittelmäßig Zukunftsbegabter und nicht übertrieben ehrgeiziger Frühbenutzer denken: Nun ist er also da, der erste Streamingdienst für Bücher. Die Verlagsgruppe Bastei Lübbe hat eine Anwendung entwickelt, mit der sich Literaturfreunde ihre Geschichten auf das Smartphone oder das Tablet laden können. Literatur zum Drüberwischen, das kennt man ja schon vom elektronischen Lesegerät. Aber jetzt auch noch Animation, Bild und Ton – klingt nach einem neuen Zeitalter des Lesens.

Zumindest für all die, die mit der Kulturpraxis des zurückgezogenen Lesens nichts mehr anfangen können. Dabei könnte doch Lesen vor allem eine Möglichkeit sein, für Stunden und Tage dem Dauergesummse des Alltags zu entkommen. Ist Literatur nicht heute noch mehr als früher ein prima Mittel der zielgerichteten Alltagsflucht?

Mit der Lese-App wird jenes eskapistische Prinzip digital, also smart und elegant und verführerisch direkt ausgehebelt. Häppchenkultur ist ein alter Begriff für ein in der Tat gar nicht neues Phänomen. Klicks und Gimmicks, impulsgetriebene Dauerreizung, Funken auf allen Kanälen: Das alles macht vor den schönen Künsten nicht halt.

Der neue literarische Streamingdienst soll vor allem Fortsetzungsromane verbreiten. Womit auch in der Wahl des Gegenstands bewiesen wird, wie althergebracht die Idee ja eigentlich ist. Nun wird es darum gehen, beim Nutzen der Roman-App sich nicht von den anderen Apps ablenken zu lassen ...