Daniel Woodrell ist ein Erzähler mit mächtiger Stimme. Seine Romane „Winters Knochen“ (mit Jennifer Lawrence unter dem Originaltitel „Winter’s Bone“ verfilmt) und „Der Tod von Sweet Mister“ sind ebenso Beleg dafür wie die aktuelle Kriminalgeschichte „In Almas Augen“. Woodrell, 60, berichtet darin von einer Katastrophe, die sich am Ende der 20er-Jahre in einer Kleinstadt im Bundesstaat Missouri ereignet. Bei einem sommerlichen Tanzvergnügen in der dörflichen Arbor Dance Hall kommen infolge einer Explosion 42 Menschen ums Leben, zahllose weitere werden schwer verletzt und verstümmelt. Es ist ein Brandanschlag, das ist anfangs offenkundig, doch aufgeklärt wird das Verbrechen nicht.
Jahre später ist die Sache in Vergessenheit geraden, die Wunden sind geheilt, man hat sich als Erklärung auf einen Unfall geeinigt. Nur eine Frau will nicht vergessen, Alma, eine Dienstmagd mit kargem Salär, deren schöne Schwester Ruby damals in den Flammen zu Tode kam. Auch in Alma schwingt eine dunkle Saite, sie erkennt später, viele Jahre später, wie sich die Katastrophe erklärt.
Es ist ein Netz aus biografischen Strängen, das Woodrell in seinem schmalen 192-Seiten-Band entwirft. Aus der Summe der Lebensmuster ergibt sich schließlich das Bild, das zeigt, was wirklich geschah in jener Sommernacht in Missouri, wo Schuld zu finden ist und wo nicht. Und wie schicksalhaft das Unheil zu sein vermag.
Von diesen Irrungen und Wirrungen erzählt Woodrell mit distanzierter Empathie, prägnant in den Bildern, die er wählt, soghaft ist die Poesie seiner Sprache, die hineinzieht in eine Welt aus Wut und Armut, aus Gier, Angst und Lust. Eine Welt, in der das Wünschen schon lange nicht mehr hilft.
Daniel Woodrell: „In Almas Augen“ Dt. von Peter Torberg, Verlag Liebeskind, 192 Seiten, 16,90 Euro
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