Hamburg. Dort, wo sich in der international renommierten Wirtschafts-Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer die Tür zu einem makellos durchgestylten Konferenzraum öffnet, hängt er. Ein leicht abgestoßener Kasten, die „Intuitionsbox“ von Josef Beuys, die der Künstler 1968 für die Documenta IV in einer 12.000er-Auflage hat nageln und tackern lassen, damit die Leute sie mitnehmen, jeder ein Stück Kunst für zu Hause. In der Galerie Multiple Box (Admiralitätsstraße) steht unter einem der verbliebenen Exemplare „Preis auf Anfrage“, hier hängt sie, einfach so, neben weiteren Beuys-Originalen.
In der Kanzlei, in der 2500 Anwälte aktiv sind, davon rund 90 in Hamburg, ist alles etwas anders als in anderen Büro-Etagen. Wer den Aufzug verlässt, blickt nicht auf Fachgebietsbezeichnungen, denen die Etagen zugeordnet sind, sondern auf Kunstwerke, die jeweils auf schwer entschlüsselbare Weise etwas damit zu tun haben, zum Beispiel eine Faltskulptur von Henrik Eiben als Entree in Sachen Gesellschafts- und Aktienrecht. Die vielen Konferenzräume heißen „Krawall“, „Toleranz“ oder „Großzügigkeit“, um eingefahrene Gedanken in Wallung bringen. Was die Kanzlei an den Hohen Bleichen praktiziert, ist eine echte Seltenheit. Nicht nur, dass hier überwiegend gute, sogar sperrige Kunst hängt – die Kanzlei lobt seit vier Jahren auch einen jährlichen Kunstpreis aus, an den eine Ausstellung mit Vernissage und Katalog gekoppelt ist. Und sie ist einer von 18 Teilnehmern, die sich von dem jungen PR-Mann Hubertus von Barby haben gewinnen lassen, um seiner Idee der „Add Art“ zum Leben zu verhelfen.
Add Art heißt „Füge Kunst hinzu“ – eine freundliche Aufforderung an Hamburger Unternehmen, sich in den eigenen Räumen zur Kunst zu bekennen, Originale zu kaufen und im besten Fall junge Künstler zu fördern. 200 Firmen hat von Barby angeschrieben, 18 hat er nun im Boot, darunter die Handelskammer, Hapag-Lloyd, die Agentur Jung von Matt und die HypoVereinsbank. Am 2. und 3. 11. kann man über die Initiative „Add art“ erstmals Firmenetagen betreten, die sonst nicht zugänglich sind, und sehen, welche Art von Kunst dort welchen Stellenwert hat.
Der Ermutigung, Nachwuchskünstler zu fördern, sind fünf Unternehmen gefolgt, eines davon ist die Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer. Nicht nur, dass Kanzlei-Partner Michael Schäfer selbst eine Leidenschaft für Kunst hat („Mein Kunstlehrer war ein Studienfreund von Josef Beuys“) – er und seine Frau bieten Künstlern in Mecklenburg-Vorpommern, wo sie einen Resthof ausgebaut haben, außerdem ein Atelier für jeweils ein Jahr an. Kunst, die man sofort versteht, interessiert ihn nicht so, er begeistert sich für Querköpfe wie Thorsten Brinkmann und sein dadaistisches Selbstporträt. „Kreativität ist bei uns das A und O. Wir sind nicht die Kanzlei für Lösungen, die man nachbeten kann. Wir betreuen hochkomplexe Projekte, die viele Jahre laufen. Zeitgenössische Kunst finde ich reizvoll, weil sie einen anderen Blick auf die Dinge hat und vieles infrage stellt, was bisher als selbstverständlich galt.“
In der Werbeagentur thjnk stehen drei junge Künstler in den Startlöchern. Suzanne Levesque wollte eigentlich einen Pool voller Glittermasse errichten, einen Ort schaffen, der dafür steht, „der Banalität des Alltags zu entfliehen und einem Traum von Schönheit zu folgen“, aber dann bekam man bei thjnk Angst, dass der Boden einkracht, nun zeigt die Künstlerin Bilder: „Ich finde es schön, an unterschiedlichen Orten auszustellen, die keine Galerien oder Museen sind, wo der allgemeine Konsens sowieso da ist.“ Bettina Olf, Executive creative director bei thjnk, stellt bewusst unbekannte Künstler aus, weil es „in der Kunst nicht um Wertanlagen oder Accessoires gehen sollte oder darum, sich etwas zuzulegen, was sowieso alle gut finden, sondern darum, wieder dem eigenen Instinkt zu trauen.“
Add art am 2. und 3.11.; Talk „Warum Kunst und Wirtschaft zusammengehören“ am 2.11., 18.30, im Bucerius Kunst Forum. Anmeldung: www.addart.de
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Kultur & Live