Geigerin: Hilary Hahn gibt heute ein Konzert in der Laeiszhalle

Ein Star ohne Skandälchen

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Joachim Mischke

Manche Musiker sind nervös oder anstrengend. Hilary Hahn nicht. Die ist sehr nett. Was das Gespräch mit ihr aber leider nicht so ganz einfach macht.

Hamburg. Regelmäßig großartig Geige zu spielen ist offenbar so ziemlich das Beste, was der inneren Balance passieren kann. Bei Hilary Hahn jedenfalls scheint es so zu sein, denn im Gespräch über sich selbst und ihre Arbeit ist die junge Amerikanerin so rein gar nicht aus dem Takt und damit aus der Ruhe zu bringen. Skandale? Schön wär's. Noch nicht mal Skandälchen, Virtuosinnen-Marotten à la "Ich will nur die grünen Smarties in meiner Garderobe" oder wenigstens kleine Dellen im Charakter sind dokumentiert. Etliche Interview-Sparring-Partner haben sich schon nach technischem K. o. geschlagen gegeben, müde geplaudert und ohne echte Treffer auf der eigenen Punktekarte.

Seit Kurzem gibt es ein DVD-Porträt von ihr, man begleitet sie unter anderem beim Rundgang durch das Curtis Institute in Philadelphia, wo die rasante Weltkarriere der inzwischen 27-Jährigen startete. Dabei trägt sie Jeans und T-Shirt und manchmal auch ihren Geigenkasten in einer riesigen Rucksack-Konstruktion und sieht aus wie eine nette Musikstudentin. In einer anderen Szene trägt sie Abendgarderobe und ihre Geige und spielt in der Berliner Philharmonie. Und sieht dann immer noch aus wie eine nette Musikstudentin, nur eben in Abendgarderobe. Das Prinzip Hahn scheint ganz und gar unglamourös zu sein. Die Musik kommt zuerst, dann kommt ganz lange gar nichts und dann erst die Person. Der zunehmende Vermarktungsdruck, das Bewusstsein, inzwischen eine Art Marke zu sein, ist ihr herzlich egal. "Das ist nicht mein Problem", lacht sie, "ich habe kein Image, das getrennt von mir ist."

Dass Hahn schon als Teenager Bachs Solosonaten und Partiten eingespielt hat - Musik vom Allerheiligsten, die der Geigen-Gott Isaac Stern zeitlebens nie aufzunehmen wagte -, ist für sie kein großes Ding. "Für mich war es einfach praktisch." Sie hatte damals kein anderes Repertoire so oft gespielt, sollte etwas auf CD herausbringen, was ihr gut bekannt war. Wo also ist das Problem? "Die Musik ist so schön, ich sah keinen Grund, es nicht zu tun." Die nächsten Projekte stehen schon fest oder sind bereits eingespielt: Violinkonzerte von Sibelius und Schönberg mit Esa-Pekka Salonen und dem Schwedischen Radiosinfonieorchester, und danach Bachkantaten mit obligater Violine. "Das wird Spaß machen."

Dass gleichaltrige Popstars viel mehr verdienen, obwohl sie viel weniger, wenn überhaupt auf einem Instrument üben - das geht für Hahn schon in Ordnung. "Dafür müssen sie andere Ansprüche erfüllen, Pressetage machen, große Shows spielen, monatelang unterwegs sein und auf Privatleben verzichten. Ich habe mehr Privatheit, mehr Freiheiten im Kalender und kann eher Nein sagen." Ihren Kontostand kennt sie noch, aber: "Das ist meine Sache." Auch die nächste kleine Hinterlist lässt sie ins Leere laufen. Für was, außer einer Geige, sie jemals so viel Geld ausgegeben hätte, dass es ihr später leidtat. Ein Loft in New York, ein teures Bild, das wären jetzt mal pralle Bekenntnisse. Doch es kommt eine Antwort, dass sie ohne viel Geld aufgewachsen sei, ohne Designerkleidung. "Ich könnte ganz glücklich in einer kleinen Wohnung leben und jeden Tag Jeans tragen. Aber ich muss viel unterwegs sein, und das kostet." Ihre vielen Flüge zu ihren vielen Auftritten als Solistin und Kammermusikerin, die sind jedenfalls immer noch Economy.

Eigentlich müsste es doch auch mal nicht so ganz gelungene Abende geben, könnte man glauben. Das sieht Hahn anders. "Für mich gibt es keine wirklich schlechten Konzerte. Wenn etwas schiefgeht, lerne ich etwas und mache es beim nächsten Mal nicht wieder. Und je mehr schiefgeht, desto mehr lerne ich." Wenn schon schlechte Konzerte kein Problem sind, was ist dann mit schlechten Kritiken? "Davon lerne ich auch. Aber wenn sie ganz gemein sind, dann muss ich die einfach wegschmeißen. Es gibt immer viele Meinungen im Publikum, und es gibt viele andere, die ich nie lesen werde."

Auf die Frage, was sie anstellt, wenn sie richtig sauer ist, entgegnet sie nur: "Dann mache ich große Gesten. Oder ich rufe eine Freundin an, um ihr davon zu erzählen, danach ist dann alles weg. Ich bin wirklich keine Diva." Na gut. Letzter Versuch: "Ein Kritiker hat mal geschrieben, Sie sollten doch mal, um etwas Lockerheit in die Perfektion zu bekommen, Ihre Geige weglegen, sich betrinken, mit Drogen experimentieren und ein paar Herzen brechen." - "Was?! Wenn ihn das glücklich macht, dann, also: Prost! Aber es gefällt mir nun mal besser, Dinge zu entdecken, als ein wenig bewusstlos zu sein. Es macht mir keinen Spaß, nicht ganz da zu sein. Wenn ich wirklich fokussiert bin, bin ich nicht unglücklich. Ich bin einfach ziemlich ruhig."

  • Konzert: 19.30 Uhr, Laeiszhalle. Mozart: G-Dur-Violinkonzert KV 216, "Jupiter"-Sinfonie/Spohr: 8. Violinkonzert/ Grieg: "Aus Holbergs Zeit". Hilary Hahn (Violine), Württembergisches Kammerorchester. Karten (27-93 Euro) unter Telefon 35 44 14. DVD: "Hilary Hahn - A Portrait" (DG)