Russland

Plattenfirma: Fall Pussy Riot "inspiriert" russische Musiker

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Nadine Emmerich

Beim Label Eastblok Music gingen in vergangenen Monaten rund 400 Protestsongs ein – Die Sängerin Peaches startete Online-Petition.

Berlin. Das harte Vorgehen gegen die Frauen der Punkband Pussy Riot hat in der russischen Musikszene nach Einschätzung von Experten statt zu Einschüchterung zu noch mehr Protest geführt. Der Fall der seit Monaten inhaftierten drei Frauen habe Musiker und Künstler vor allem „inspiriert und befruchtet“, sagte der Chef der Berliner Plattenfirma Eastblok Music, Armin Siebert, der Nachrichtenagentur dapd. „Die Leute haben keine Angst, ihre Meinung zu äußern.“

Bei dem Label, das Siebert zusammen mit Alexander Kasparov seit 2005 betreibt und das auf osteuropäische Musik spezialisiert ist, gingen in den vergangenen Monaten rund 400 Protestsongs aus Russland ein. Viele der jüngeren Songs beziehen sich auf den Fall Pussy Riot, andere sind generell gegen die Staatsführung gerichtet. Eine Veröffentlichung dieser Songs sei denkbar, aber noch nicht konkret geplant, sagte Siebert. Eastblok Music hatte bereits den Sampler „Ukraina – Songs of the Orange Revolution“ herausgebracht.

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Eine Veröffentlichung eines möglichen Pussy-Riot-Albums schloss Siebert aber vorerst aus. „Es gibt kaum Musik von ihnen“, sagte er. Pussy Riot seien mehr der künstlerischen Avantgarde mit politischem Anspruch als direkt der Musik- und Punkrockszene zuzuordnen.

Den Mitgliedern von Pussy Riot wird vorgeworfen, einen Monat vor der russischen Präsidentenwahl die Moskauer Christus-Erlöser-Kathedrale gestürmt und dort das jetzige Staatsoberhaupt Wladimir Putin von der Kanzel herab verunglimpft zu haben. Die Staatsanwaltschaft forderte eine dreijährige Haftstrafe für die angeklagten Frauen im Alter von 23, 24 und 29 Jahren. Das Urteil soll am Freitag verkündet werden.

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Das Vorgehen gegen die Punk-Rockerinnen wird seit Wochen international heftig kritisiert. Deutsche Musiker wie Marius Müller-Westernhagen, Peter Maffay, Nina Hagen, Inga Humpe und Udo Lindenberg brachten ihre Solidarität in dem Appell „Freiheit für Pussy Riot“ zum Ausdruck. Künstler und Intellektuelle aus dem In- und Ausland riefen Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem offenen Brief dazu auf, sich für eine Freilassung der Frauen einzusetzen.

Britische Musiker wie Pete Townshend von The Who und Neil Tennant von den Pet Shop Boys veröffentlichten in der Zeitung „The Times“ einen offenen Brief ebenfalls mit der Forderung nach Freilassung der Frauen. Popsängerin Madonna bekundete bei einem Konzert in Moskau ihre Unterstützung und sagte, sie bete für die Musikerinnen. Auch die Red Hot Chili Peppers, Faith No More, Franz Ferdinand und Sting solidarisierten sich mit Pussy Riot.

Die Sängerin Peaches drehte in Berlin mit rund 400 Unterstützern das Video „Free Pussy Riot“, das unter anderen mit Deichkind, Lykke Li und The Hives produziert wurde. Peaches startete nach Angaben der zuständigen Agentur auch eine Online-Petition zur Unterstützung der Punkband, die in fünf Tagen rund 85.000 Unterschriften verzeichnete. Am Freitag wollen die Organisatoren von www.freepussyriot.org parallel zur Urteilsverkündung vor der Russischen Botschaft in Berlin demonstrieren und Peaches’ Petition überreichen.

In Deutschland spielten die US-Band Anti-Flag und die Berliner Band Radio Havanna ausverkaufte Benefiz-Konzerte. Bei den Shows in Hamburg und Berlin sammelten die Bands, beide bekannt für ihr politisches und soziales Engagement, zusammen mit der Menschenrechtsorganisation Amnesty International Spenden für Pussy Riot. Das Geld geht an den „Pussy Riot Defense Fonds“ und soll für Anwaltskosten im Prozess oder Protestaktionen zur Verfügung stehen. (dapd)