Hamburg. Es geht rund! Im wahrsten Sinne des Wortes. Wer die Ausstellung von Michel Majerus (1967-2002) in den Deichtorhallen besucht, wird als erstes durch ein Bilderkarussell geschleust. Ein schmaler Gang, geformt durch dicke, versetzt zueinander gestellte Säulen, läßt Besucher förmlich in die Ausstellung schlingern. Und vermittelt einen ersten Eindruck von der Bilderwelt des jung gestorbenen Malers. Micky Maus, Werbeslogans und schwingende Farbflächen flimmern da vorbei. Etwas atemlos und schwindlig steht man dann in der großen Halle - und wow! Was für ein Gegensatz. Offenheit, Weite! Und an den wenigen, riesigen Stellwänden hängen Bilder, jedes so groß wie ein Haus.
Majerus' Bilder sind stets zugleich Installationen, nehmen kongenial Bezug zum Raum und erschaffen ihn neu. Und so gleicht auch die Schau in der nördlichen Deichtorhalle einer gigantischen Installation. "Dies ist ein spektakuläres Raumerlebnis, ganz im Geiste von Majerus", sagt Deichtorhallendirektor Robert Fleck. Und Majerus wollte "begehbare Malerei". Neben dem eingangs geschilderten Karussell, das der Künstler im Jahr 2000 für eine Schau in London baute, umfaßt die Ausstellung "Michel Majerus. Demand the best don't accept excuses" rund 20 riesige Gemälde. Fast alle bestehen aus vielen, an sich schon großen Leinwänden und nehmen Maße zwischen sieben und zehn Meter Höhe an.
Das ist keine Gigantomanie, sondern eine Hommage an die Malerei. "Die Malerei triumphiert bei Majerus über noch so gigantische Bilder der heutigen Werbung und über das Geflacker der Bildschirme", erklärt Fleck. Dabei setzt sich seine Bildsprache aus unterschiedlichsten Zitaten der visuellen Wirklichkeit zusammen. Computerspiele, Comics, Werbung und Kunstgeschichte verbinden sich zu einem ästhetischen Kosmos. Doch konfrontiert Majerus die heilen Bildwelten mit ihren Schattenseiten.
"Majerus war ein Bilderfresser", erzählt Veit Görner, Direktor der Kestnergesellschaft Hannover und einst ein enger Freund des Künstlers. "Er hat die Welt bewußt aufgenommen und intelligent reflektiert." Zeitgleich und in Kooperation mit den Deichtorhallen präsentiert die Kestnergesellschaft kleine Formate des Künstlers. Drei weitere Orte, Graz, Amsterdam und Luxemburg, beteiligen sich an diesem Projekt, das erstmals das Gesamtwerk des Künstlers unter jeweils unterschiedlichen Aspekten zeigt. Robert Fleck nennt das eine sich "wandelnde Wanderretrospektive".
Ein Haus allein wäre mit der Aufgabe, einen Überblick über das Schaffen dieses ungeheuer fleißigen Künstlers zu geben, auch sicher überfordert gewesen. In nur neun Jahren - von 1993 bis 2002 - schuf Majerus 1500 Werke. Größtenteils Malerei, die bei ihm jedoch stets die Grenzen zu anderen Genres sprengte. "Majerus muß als multimedialer Künstler bezeichnet werden", sagt Robert Fleck. "In der Kombination von Fotografie, Malerei, Computer- und Raumkunst wollte er eine neue Kunstauffassung für ein neues Jahrhundert finden."
Michel Majerus, in Luxemburg geboren, studierte an der Stuttgarter Kunstakademie bei Joseph Kosuth und fand in den 90er Jahren in Berlin seine Wirkungsstätte. Am 6. November 2002 kam er im Alter von 35 Jahren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Mit zahlreichen Ausstellungen, etwa in der Kunsthalle Basel, der Manifesta 2 in Luxemburg oder der Biennale in Venedig, konnte er sich bereits zu Lebzeiten als Künstler behaupten. Heute bezeichnet ihn Robert Fleck als einen "in seiner Generation einmaligen Künstler". Die Schau in den Deichtorhallen belegt das eindrucksvoll.
- Deichtorhallen Hamburg, Deichtorstraße 1-2, bis 26.1., di-so 11-18 Uhr, Katalog: 29 Euro
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