Die Suche nach den eigenen Wurzeln

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Stefanie Rüggeberg

Geschichte: Besatzerkinder. Ihre Väter waren Soldaten der Siegermächte, ihre Mütter deutsche Frauen: Nach 1945 kamen in Deutschland rund 100 000 Besatzerkinder zur Welt.

Dokumentation: Die Kinder der Besatzer. 22.15 Uhr NDR

Es gibt Dinge, die vergißt man nicht. Für Ika Hügel-Marshall ist es das Gefühl, anders zu sein. Und nicht dazuzugehören zum Leben in der fränkischen Kleinstadt, in der sie 1947 geboren wurde. "Negerhure" hat man ihre Mutter schon mal genannt. Und die Tochter eine Mischung aus Verachtung und Mitleid spüren lassen.

Ika war eines von mindestens 100 000 Kindern, die im Nachkriegsdeutschland als Söhne und Töchter von Besatzungssoldaten zur Welt kamen. Kinder, die es eigentlich nicht geben sollte. Denn Affären mit deutschen Frauen hatten die Alliierten ihren Soldaten untersagt. Also waren auch Besatzerkinder nicht willkommen. Reinhard Joksch erzählt in seiner zweiteiligen Dokumentation ihre Geschichten. Und zeigt dabei, daß sich die Lebenslinien dieser Menschen auf berührende Weise gleichen.

Nicht nur Ika, deren Vater ein schwarzer US-Corporal war, wächst auf Drängen des Jugendamtes im Heim statt bei ihrer Mutter auf. Auch Michael Martin, in Baden-Baden als Sohn eines französischen Offiziers geboren, muß sich von der Mutter trennen, die das Kind nicht versorgen kann und bereits 1951 an Unterernährung stirbt. Nach alliiertem Recht bestand keine Unterhaltspflicht der Soldaten für ihre deutschen Kinder.

Insofern sind es nicht nur Ausgrenzung und Diskriminierung, die Ika Hügel-Marshall oder Michael Martin geprägt haben. Sondern vor allem die Suche nach ihren Wurzeln. So reist Franz Anthöfer Anfang der 70er Jahre durch die USA, um seinen Vater zu suchen. Als er ihn endlich findet, kommt er zu spät. Der Vater ist gerade verstorben.

Der Wunsch, zu erfahren, wer man ist und woher man kommt, eint alle Besatzerkinder. "Es war das Gefühl, aus zwei Hälften zusammenzuwachsen", beschreibt Heide Lehmann den Tag, an dem sie ihrem französischen Vater als erwachsene Frau in Paris zum ersten Mal gegenüberstand. Und nach Jahren des Haderns mit der eigenen Herkunft endlich Glück empfand. Ein Gefühl, um das Franz Anthöfer noch immer kämpft. Obwohl eine Genanalyse eindeutig erwies, daß er der Sohn seines verstorbenen Vaters ist, versucht er bis heute vergeblich, die amerikanische Staatsbürgerschaft zu erlangen.

Dieser Traum hat sich für Ika Hügel-Marshall immerhin erfüllt. Sie fand ihren Vater 1993 in Chicago und wurde mit offenen Armen aufgenommen. Auch seine Vaterschaft erkannte er an. Ein richtiges Happy End konnte Eddie Marshall, der bereits 1994 starb, seiner Tochter zwar nicht mehr schenken. Doch dafür einen amerikanischen Paß, den Ika "das Erbe meines Vaters" nennt. Weil er ein Symbol dafür ist, daß sie endlich ihre Identität gefunden hat.

  • Zweiter Teil : 11. 4., 22.15 Uhr NDR.