Handke wird bei Uraufführung mit Applaus überschüttet

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Anna Ringle-Brändli

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Regisseur Gotscheffs Inszenierung von „Immer noch Sturm" beklemmend und heiter zugleich

Hallein. Ein Lächeln huscht Schriftsteller Peter Handke übers Gesicht, als er die Bühne betritt. Der tosende Applaus von 800 Theaterbesuchern der Salzburger Festspiele nach der Uraufführung seines Stücks „Immer noch Sturm“ am Freitag gilt vor allem ihm. Der Autor, der bei Paris lebt, wird von den acht Schauspielern, darunter Bibiana Beglau und Jens Harzer, und dem bulgarischen Regisseur Dimiter Gotscheff, umringt. Dessen mehr als vier Stunden lange Inszenierung wurde auf der Perner-Insel in Hallein mit großer Begeisterung aufgenommen.

Eine Familie mit slowenischen Wurzeln ist unter einem Apfelbaum im Jaunfeld versammelt, unweit ihres Hofguts in der Kärntner Gegend in Österreich. Das Elternpaar und seine fünf Kinder bringen sieben unterschiedliche Blickwinkel auf das gemeinsame Leben mit. Sie erinnern sich an die 1930er und 1940er Jahre – freudig und verbittert zugleich.

Es ist ein Spiel zwischen Traum und Wirklichkeit, denn ein Nachfahre – das „Ich“ – lässt die Figuren, seine Ahnen, sprechen. Mal klinkt er sich in die Dialoge ein, mal zieht er sich auf eine erzählerische Ebene zurück und bleibt auch räumlich abseits der Gruppe. Seine Träume und Erinnerungen rollen ein Familiendrama vor dem Hintergrund der Partisanenkämpfe der Kärntner Slowenen gegen die Nationalsozialisten auf.

Da sind etwa die Geschwister, wie Außenseiterin Ursula und Frauenheld Valentin sowie der Vater, der das Wort Liebe in seinem Haus nicht hören will. Alltagsprobleme wie Essen, Stallarbeit und die Suche nach der eigenen Rolle innerhalb der Familie mischen sich mit dem Kampf um kulturelle Identität als slowenische Minderheit.

Gotscheff schafft viele beeindruckend beklemmende Situationen. Etwa in der Figur der Ursula, „für die im Haus kein Platz ist“, wie sie sich selbst beschreibt. „Im Krieg werde ich endlich einen Platz finden“, hofft sie und wird später Widerstandskämpferin.

Oder in der Mutter des „Ichs“, die eine Beziehung mit einem der nationalsozialistischen Besatzer eingeht und damit ihre eigene Kultur verleugnet. Der Regisseur löst diese Momente oft mit heiteren Szenen auf und schafft Freiräume: Akkordeon und Percussion lassen unter anderem mit slowenischen Volksliedern die Figuren sorgenfrei tanzen.

Handkes Stück ist textgewaltig – das unterstreicht auch Gotscheff mit seiner Inszenierung. Das Bühnenbild von Katrin Brack ist schlicht, es fungiert vielmehr als Projektionsebene: Requisiten werden spärlich verwendet, Blickpunkt auf der leeren, schwarzen Bühnenfläche sind grüne Blätter aus Flitter, die ununterbrochen von der Decke fallen. Im Vordergrund stehen die Gedankenwelten der Figuren. Vor allem Jens Harzer in der Rolle des „Ich“ bietet minutenlange Monologe akzentuiert und facettenreiche dar.

Das Ende bleibt verstörend. Auch nach dem Krieg und dem Sieg über die nationalsozialistische Unterdrückung gebe es „Immer noch Sturm“, resümiert das „Ich“. „Gütige Menschen – wie ich mich danach sehne.“

Zwtl.: Uraufführung zunächst in Wien geplant

Auf die Uraufführung mussten die Theaterbesucher länger warten, als zunächst geplant. Bereits im Februar sollte Regisseur Claus Peymann „Immer noch Sturm“ am Wiener Burgtheater inszenieren – doch die Zusammenarbeit zwischen Handke und dem Intendanten des Berliner Ensembles wurde abgebrochen. Peymann hatte zuvor bereits mehrere Werke von Handke auf die Theaterbühnen gebracht.

Die jetzige Koproduktion mit dem Thalia Theater Hamburg wird außerdem am 17., 18., 23., 24., 26. sowie am 27. August bei den Salzburger Festspielen zu sehen sein. In Hamburg ist die Premiere am 17. September geplant.