Mit David Allers liest Burghart Klaußner im Polittbüro aus Fernando Pessoas fast 100 Jahre altem Text “Ein anarchistischer Bankier“

Polittbüro. Zu den Sympathieträgern zählen Bankiers in der öffentlichen Meinung eher weniger. Das war vor der Finanzkrise so, und nach dem auf Gier und Spekulation basierenden Kollaps großer Finanzhäuser zeigt die Popularitätskurve noch steiler nach unten. Die Leute scheinen sich einig: Bankiers interessieren sich nicht für das Wohl der Menschheit, sondern vor allem für Rendite und die eigenen Boni.

Der portugiesische Schriftsteller Fernando Pessoa lässt in einer Novelle einen solchen Finanzjongleur zu Wort kommen. Doch dieser Bankier ist Verkörperung des Hochkapitalismus und Gegner dieses Systems gleichermaßen: Er ist "Ein anarchistischer Bankier".

Thomas Ebermann von der Vers- und Kaderschmiede hat sich dieses hochaktuellen Textes angenommen und bringt ihn ab Donnerstag an vier Abenden auf die Bühne des Polittbüros. "Ein literarisches Trüffelschwein", nennt Burghart Klaußner den früheren GAL-Politiker und lobt damit Ebermanns rastloses Bemühen, längst vergessene Texte wieder an die Öffentlichkeit zu holen und ins Bewusstsein zu bringen. Pessoas Text klingt wie kürzlich entstanden, doch geschrieben hat er ihn bereits Anfang des 20. Jahrhunderts. Pessoas visionäre Kritik wird Klaußner zusammen mit dem jungen Schauspieler David Allers in einer szenischen Lesung darbieten.

Klaußner, 1949 in Berlin geboren und bereits viele Jahre in Hamburg zu Hause, ist seit Jahrzehnten in Film und Fernsehen und an deutschen Bühnen ein gefragter Schauspieler. Mit seiner Rolle als strenger Pastor in Michael Hanekes Welterfolg und Oscar-nominierten Film "Das weiße Band" sind inzwischen auch international eine Reihe von Produzenten und Regisseuren auf ihn aufmerksam geworden.

Dennoch ist er sich nicht zu schade, an einem kleinen Haus wie dem Polittbüro zu arbeiten. "Szenische Lesungen machen irren Spaß", sagt er. "Man springt mit dem Mut eines Löwen in eine mehr oder weniger ungeprobte radikale Situation." Und dann heiße es: Friss oder stirb.

"Die intellektuellen Volten, die Pessoa schlägt, haben sich aufs Schönste durch die aktuellen Ereignisse in der Finanzwelt bestätigt", sagt Klaußner über die Novelle des 1935 in Lissabon gestorbenen Schriftstellers. Pessoa kannte sich in dem Milieu, das er in "Ein anarchistischer Bankier" beschreibt, gut aus: Er stammt selbst aus einem Handelshaus und hat bis zu seinem Tod als Außenhandelskorrespondent gearbeitet. Pessoas Hauptfigur erklärt seinem Gegenüber in völlig schlüssiger Logik, dass sich in seiner Person des Bankdirektors Theorie und Praxis des Anarchismus aufs Genaueste vereinigen. Klaußner erklärt dazu, dass ihm als Schauspieler dieses Phänomen des Selbstbetruges nicht völlig fremd ist: "Schauspieler sind dafür geschaffen, ihre gelegentliche Unfähigkeit im wahren Leben durch große Fähigkeiten im falschen zu kompensieren."

Ein anarchistischer Bankier Do 28.4.- So 1.5., jeweils 20.00, Polittbüro (U/S Hauptbahnhof); Steindamm 45, Karten 15 Euro, T. 28 05 54 67 Internet: www.polittbuero.de