Lyonel Feininger im Altonaer Museum

Alles begann im Badeort Heringsdorf auf Usedom

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Annette Stiekele

Das noch vor Monaten von Schließung bedrohte Altonaer Museum hat eine sehr erlesene Schau maritimer Motive von Lyonel Feininger an Land gezogen.

Hamburg. Manch einer denkt vielleicht, er träume. Hat doch das vor Monaten noch von Schließung bedrohte Altonaer Museum tatsächlich eine sehr erlesene Schau maritimer Motive von Lyonel Feininger an Land gezogen. Das zeige, so Museumsdirektor Torkild Hinrichsen, dass das Altonaer Museum keine "verstaubte Bude" sei, sondern sich zeitgemäß am Kulturleben beteilige. Manchmal wächst Schönheit eben auf hässlichem Boden, in dem Fall dem der Krise. Wohlgesonnene Privatsammler öffneten ihre Schätze, die in Altona residierende Frosta AG gab Gelder und "heraus kommt ein Solidaritätsakt, der sich sehen lassen kann", so Hinrichsen.

Obwohl das Altonaer Museum primär ja kein Kunsttempel ist, fügt sich die Schau "Lyonel Feininger - Schiffe und Meer", kuratiert von dem anerkannten Feininger-Experten Ulrich Luckhardt, hervorragend in den Museumsschwerpunkt der Kulturgeschichte Norddeutschlands. Nur knapp sechs Wochen lang bis zum 22. Mai ist sie zu sehen. Für eine allgemeine Entwarnung am Altonaer Museum hingegen sei es zu früh. "Die Zweifel an unserer Existenzberechtigung sind nur gestundet", erinnert Hinrichsen.

Drei der 60 Werke stammen aus Hamburger und Hannoveraner Museen, die übrigen lagen oft über Jahrzehnte abseits der Öffentlichkeit in Privatsammlungen. Das Bild "Badende am Strande" von 1914/15 etwa befand sich 50 Jahre in Privatbesitz. Die "Ostsee-Ketch" wurde 1924 von einem Schweizer Sammler erworben und tauchte erst in seinem Nachlass wieder auf.

Lyonel Feininger (1871-1956) gilt als einer der bedeutendsten Künstler der Klassischen Moderne. Zeit seines Lebens war er amerikanischer Staatsbürger, lebte aber viele Jahre in Thüringen und Berlin und belegte 1887 neun Monate lang an der "Allgemeinen Gewerbeschule" in Hamburg Zeichen- und Malkurse. Die gezeigten Bilder umfassen seine wichtigste Schaffensphase zwischen 1911 und 1955. Nach Anfängen als Karikaturist nahm er 1911 eine große thematische Veränderung vor. Seit 1908 verlebte er seine Sommer im mondänen Badeort Heringsdorf auf Usedom und skizzierte Figuren am Strand, aus denen er später ganze Szenen entwickelte. In "On the Shore of our Sea, Julia Dear!" hat er 1911 erstmals hinter den Figuren im Bildmittelpunkt ein Schiff dargestellt. Später sind die Skizzen menschenleer. Feininger konzentriert sich ganz auf die Darstellung der Schiffe. Im Mai 1912 steuert Feininger sechs Bilder zum Pariser "Salon des Artistes Indépendants" ("Salon der unabhängigen Künstler") in Paris bei. Dort wurde erstmals der französische Kubismus vorgestellt. Fortan lässt Feininger Formen auseinanderbrechen und fügt den Bildraum anschließend neu zusammen, entwickelt seinen typischen Stil der flächigen Schichtung.

Besonders nachvollziehbar wird diese Entwicklung an vier fast gleich großen Gemälden aus dem Jahre 1912, die das Herzstück der Ausstellung bilden. In "Landungssteg" stehen die Figuren noch deutlich im Vordergrund auf einem Steg und blicken auf mehrere Segelschiffe. Das Bemühen, die Form zu sprengen und den Himmel neu zusammenzusetzen, ist aber bereits erkennbar. In "Am Quai" stehen die Figuren nur noch als Folien im Vordergrund. Sie haben den Bezug zum Boden verloren. Das Meer rückt ins Zentrum. In "Fischerflotte in Dünung" versucht Feininger die Wellenformen kubistisch auszudeuten. Nur noch als Maßstabsfiguren sind die Figuren schließlich in "Rotes Meer mit blauer Barke" erkennbar. Mithilfe der transparenten Überlagerungen der Flächen versucht Feininger, der Bildkomposition eine transparente Klarheit zu geben. Im Laufe der Jahre werden die Schichtungen immer raffinierter. Ihre Facetten erinnern an geschliffenen Edelstein.

1924 entdeckt Feininger das pommersche Dorf Deep an der Mündung der Rega im heutigen Polen. Der einfache Fischerort sollte für die nächsten zwölf Jahre sein Sommerdomizil werden. Hier entstanden Naturnotizen und Aquarelle. Auch in seinen Holzschnittarbeiten, von denen ebenfalls einige zu sehen sind, dominieren Schiffsmotive.

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten nötigte Feininger, dessen Frau Julia Jüdin war, mit seiner Familie nach Amerika zurückzukehren. Als er 1935 und 1936 eingeladen wurde, Kunstkurse in New York zu geben, blieb er. Fortan war er von seinen künstlerischen Wurzeln, den Dorfkernen und Kirchen aus dem Umland Weimars in Thüringen und der Ostsee, abgeschnitten. Der Verlust seiner Motivquellen stürzte ihn in eine schwere Schaffenskrise. Erst 1939 entstand mit "Dünen und Wellenbrecher, Deep" ein neues Bild. Es folgt dem Blick von der Regamündung nach Osten den Strand mit seinen Wellenbrechern hinunter. Malerisch hat sich sein Stil hier noch nicht verändert. Später fand Feininger in der Hochhausarchitektur New Yorks ein neues Thema.

Er selbst hat sein Leben lang nie ein Segelschiff betreten. Das Schwanken der Bretter war ihm nicht geheuer.

Lyonel Feininger - Schiffe und Meer: bis 22. Mai, Altonaer Museum (S Altona), Museumstr. 23, Di-So 10.00-17.00; www.altonaermuseum.de