Persiehl & Heine. Einst stand sie selbst als Model vor der Kamera. Dann wechselte Sarah Moon, geboren 1941, die Seiten als Autodidaktin. Das war Ende der 60er-Jahre. Von nun an entdeckte sie die Welt der Mode aus der Sicht der Modefotografin und mit viel Gespür für romantisch-melancholische Bildmotive. Als erste Frau überhaupt erhielt sie den Auftrag für den Pirelli-Kalender anno 1972. Und lieferte prompt ab, was zu ihrer Zeit en vogue war: Salonlöwinnen und Frauen mit Puppengesicht im Weichzeichner-Effekt und mit goldener 20er-Jahre-Atmosphäre.
Seither hat sich Sarah Moon mit ihren traumähnlichen Bildern einen Namen auf dem Gebiet der Modefotografie gemacht. Die Galerie Heine & Persiehl zeigt mit rund 90 Arbeiten eine Auswahl aus dem Werk der französischen Fotografin.
Auch wenn ihr Pirelli-Kalender im Glanz warmer herbstlicher Farben erstrahlte, bevorzugt Sarah Moon bis heute doch überwiegend die Schwarz-Weiß-Fotografie. Ihre einsame Favoritin auf diesem Feld ist die Polaroid-Fotografie in ihrer entsprechenden Halbton-Variante. Toskana-Motive, stille Landschaften mit Baum und weichen Hügeln, Models in extravagant fallenden, voluminösen Kollektionen, eine einsame Spaziergängerin im Park mit Hund verwandeln sich mithilfe der einstigen Sofortbild-Fotografie in Erinnerungen an verlorene Momente. Fast scheint es so, als durchkämmten wir Magazine, Alben und Archive, um zurück in jene alten Zeiten zu reisen, die so niemals waren. Ein leicht wehmütiger, an vergangener Schönheit orientierter Traum, der sich da in den Bildern entfaltet.
Zugute kommt Sarah Moon dabei das oft überschrittene Verfallsdatum ihres Fotomaterials. Ein feines Muster aus Blasen oder kristallinen Spuren, "Abfallprodukt" des alten Entwicklers, überdeckt ihre verschwommenen Motive. Bildränder verkrusten sich zu dunklen Brandungen, das klare Licht verschwindet im dunklen Leuchten eines Schwarz-Weiß-Fotos aus den Pionierzeiten des Fotoalbums.
Worin sich das 19. Jahrhundert bewusst übte, in der malerischen Unschärfe, und was es zwangsläufig hinnehmen musste, die Spuren der Archivierung, vereint Sarah Moon so zu einer Ästhetik der abgelaufenen Zeit. Auch die Beispiele ihrer Farbfotografie folgen dem Zug ihrer malerischen Umwandlung. Mehr noch als das 19. Jahrhundert mit seinen zahlreichen Spezialtechniken reduziert Sarah Moon ihr Personal dabei zu großräumigen Farbfeldern, konserviert sie im aufwendigen Color-Pigment-Print-Verfahren in vier monochromen Pigmentschichten.
Mit "Circuss" zeigt die Galerie zudem ein Beispiel aus dem filmischen Oeuvre von Sarah Moon. Eine rührselige Geschichte vom Sterben eines Zirkus, der im Aufflammen von Streichhölzern eines kleinen Mädchens noch einmal kurz zum Leben erwacht. Eine offensichtliche Anleihe bei Andersens Märchen vom "Mädchen mit den Schwefelhölzern".
Und nicht zuletzt eine weitere Hommage von Sarah Moon an den "lost moment", an jenen melancholischen Zauber aus Märchen, Tragik und einer vergangenen Zeit, die stets nur in der nostalgischen Erinnerung Bestand hat. Das ist im wahren Leben so wie auch in der Mode.
Persiehl & Heine, Galerie für Fotografie:
Sarah Moon à propos ... bis 15.2., Bergstraße 11 (U/S Jungfernstieg), Öffnungszeiten: Di-Fr 11.00-18.00, Sa 11.00- 16.00, T. 74 32 05 20;
Internet: www.persiehl-heine.de
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