Indianer: Eine Spurensuche

Vom Geistertanz zum American Dream of Life

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Matthias Gretzschel

Eine Ausstellung im Völkerkundemuseum zeigt Geschichte und Gegenwart der nordamerikanischen Ureinwohner.

Hamburg. "Deutscher sein heißt auch Indianer sein", hat der Dramatiker Heiner Müller einmal formuliert und damit die merkwürdig intensive Beziehung auf den Punkt gebracht, die die Deutschen schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts mit den amerikanischen Ureinwohnern verbindet. Doch glaubt man Wulf Köpke, dem Direktor des Museums für Völkerkunde, so hat sich die typisch deutsche Indianersehnsucht in den letzten Jahren auf interessante Weise gewandelt. "Die Menschen interessieren sich inzwischen weniger für Karl Mays Winnetou als für die wirklichen Indianer", meint Köpke. Diesem Bedürfnis trägt die neue Dauerausstellung Rechnung, die am Sonntag unter dem Titel "Indianer Nordamerikas. Eine Spurensuche" eröffnet wird.

Am Eingang des 500 Quadratmeter großen Ausstellungsbereichs steht Heelah, die Skulptur eines mythischen Raben, die David Seven Deers eigens dafür geschaffen hat. Der indianische Künstler, der dem Museum schon seit Langem eng verbunden ist und von dem u. a. auch der große hölzerne Totempfahl vor der Hauptfassade stammt, hat die von Amerika-Kuratorin Christine Chavez erarbeitete Ausstellungskonzeption maßgeblich mitbestimmt.

Heelah, dessen 1200 Kilogramm schwere Skulptur Seven Deers aus einem dunklen Basaltblock herausgearbeitet hat, soll der Ausstellung und ihren Besuchern Segen bringen, meint der Indianer, der auf einen fundamentalen Unterschied zwischen der westlichen und der indianischen Auffassung eingeht: "Für uns ist eine solche Skulptur keine Kunst, sondern Medizin. Sie kann heilen und Glück bringen." Die Bedeutung der Spiritualität, nicht nur für die Geschichte, sondern auch für die Gegenwart der First Nations, wie sich die amerikanischen Ureinwohner selbst nennen, zieht sich als eines der Hauptthemen durch die gesamte Ausstellung. In einem Langhaus, das den Plankenhäusern der indianischen Völker der Nordwestküste nachempfunden ist, sind die Masken spirituell mächtiger Tiere zu sehen, die bei Maskentänzen den eingeweihten Zuschauern die mythische Herkunft des Clans vor Augen führen.

Zu den schönsten Inszenierungen gehört ein zweistöckiges Haus der Pueblo-Indianer, die in New Mexico und Arizona leben. Während im oberen Stockwerk über die Katsina-Zeremonien der Hopi informiert wird, die der Sicherung von Regen und Fruchtbarkeit dienen, können sich die Besucher im dunklen Erdgeschoss auf niedrigen Sitzen um ein Lagerfeuer versammeln und in einer Audioinszenierung den Mythen von der Herkunft der Indianer lauschen. "Die Indianer gehen davon aus, dass sie schon immer in Amerika gewesen sind. Wir haben diese Auffassung gleichberechtigt neben die wissenschaftlichen Theorien von der Einwanderung über die Behringstraße gestellt, die übrigens keineswegs zweifelsfrei bewiesen sind", sagt Christina Chavez, die sich vor allem darum bemüht hat, die Vielfalt der indianischen Kulturen darzustellen. Die Prärie-Indianer, die das europäische Indianerbild dominieren, sind nur eine Facette, die noch dazu lediglich etwa 100 Jahre bestand hatte.

Ein originaler indianischer Cadillac, ein Reservation-Car, ist Beleg dafür, dass auch die Indianer am American Dream teilhaben: Man kann sich hinters Steuer setzen und sich mit Blick auf eine Road Show vorstellen, durch die Unendlichkeit des Westens zu fahren. Dazu tönt aus dem Autoradio der Sound einer indianischen Rundfunkstation. Mit Karl Mays Winnetou hat das sicher nichts zu tun, sehr viel aber mit dem Alltag der heutigen Indianer.


Weitere Fotos der Ausstellung im Völkerkundemuseum sehen Sie in einer Bildergalerie unter www.abendblatt.de/indianer

Rothenbaumchaussee 64, Eröffnung am 21. Dezember, 11 Uhr, geöffnet Di-So 10-18, Do bis 21 Uhr.