Interview: Salonen gastiert beim NDR-Sinfonieorchester

"Als ich jung war, waren Dirigenten mir sehr suspekt"

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Joachim Mischke

Ein Finne in Los Angeles, der Welthauptstadt des Showbiz? Eigentlich ein Stoff für einen Kaurismäki-Film. Esa-Pekka Salonen ist Finne. Und war...

Hamburg. Ein Finne in Los Angeles, der Welthauptstadt des Showbiz? Eigentlich ein Stoff für einen Kaurismäki-Film. Esa-Pekka Salonen ist Finne. Und war Hornist, bevor er 1992 Chef des LA Philharmonic wurde und Weltkarriere machte. Im Inneren ist er aber vor allem Komponist. Für die Gastdirigate beim NDR in der Laeiszhalle bringt er sein eigenes Klavierkonzert mit, und Yefim Bronfman, den Pianisten, für den er es schrieb. Wir sprachen mit Salonen über die Facetten seiner Mehrfach-Karriere.


Abendblatt:

Sie sind langjähriger Chef des LA Philharmonic und haben auch den Streit dort mitbekommen, die es um die Kostenexplosion bei der Walt Disney Concert Hall gab. Hamburg erlebt momentan mit der Elbphilharmonie Ähnliches. Wie sehen Sie das?

Esa-Pekka Salonen

Ein Projekt dieser Größe wird immer länger dauern als anfangs erwartet. Wenn die Halle einmal da ist, wird sie das Musikleben, ja das gesamte Leben in Hamburg auf dramatische Art verändern. Bei der Disney Hall hat das so niemand vorhergesehen. Aber sie wurde zu einem wichtigen Symbol für die Bürger der Stadt.



Abendblatt:

"Ich sehe mich grundsätzlich als Komponisten, der hin und wieder dirigiert, um die Rechnungen zu bezahlen", haben Sie gesagt. Eine eher unübliche Einstellung zu dem Beruf, mit dem man weltbekannt wurde.

Salonen:

Ich bin ja eher durch Zufall Dirigent geworden. Als ich jung war, waren Dirigenten mir sehr suspekt; ich hatte nie von einer solchen Karriere geträumt. Als sie sich ergab, fand ich sie interessant. Einiges daran macht auch Spaß.



Abendblatt:

So ein Stück schreibt sich nicht mal eben nebenbei. Wie haben Sie die Zeit gefunden?

Salonen:

Die ersten Entwürfe habe ich 2005 in Paris gemacht. Der Rest der Arbeit war immer zwischen Konzertterminen, die letzten Wochen vor der Abgabe hatte ich kaum Schlaf. Mit 25 war so etwas in Ordnung, aber jetzt bin ich 50. Meine Nachtruhe ist mir schon wichtig.



Abendblatt:

Komponieren mit genügend Zeitreserve ist nur was für Schwächlinge.

Salonen:

(lacht) Die meisten Komponisten, die ich kenne, kämpfen mit Deadlines - egal, wie viel Zeit sie haben. Der Druck hilft, um den Geist in Gang zu bekommen und Entscheidungen zu treffen.



Abendblatt:

In der Londoner "Times" bekamen Sie den Ratschlag, nie eines Ihrer Stücke neben eines von Ravel zu setzen, da könnten Sie nur verlieren. In Hamburg dirigieren Sie sich - und auch Ravel.

Salonen:

Es wäre moralisch unvertretbar, die eigenen Arbeiten mit sehr schlechter Musik zu umrahmen.



Abendblatt:

Beneiden Sie andere Komponisten um Stücke?

Salonen:

Ich hätte nichts dagegen, eines Tages aufzuwachen und den "Sacre du Printemps" anstelle von Strawinsky geschrieben zu haben.



Abendblatt:

Was ist der nächste Auftrag?

Salonen:

Ein Violinkonzert für Leila Josefowicz. Die Premiere soll im Februar in Chicago sein, und da es auch vom New York City Ballett mitbestellt wurde, wird es dort eine Choreografie geben.



Abendblatt:

Und? Werden Sie rechtzeitig damit fertig?

Salonen:

Ich bin etwas hinterher. Aber ich arbeite dran.



Konzerte : 5./7.12. jeweils 20 Uhr, Laeiszhalle. Außerdem: Strawinskys "Sacre" und Ravels "Ma Mère l'Oye". CD : "Salonen": Piano Concerto u. a. LA Phil, Salonen, Bronfman (DG).