Redensarten: Lehmann und der Affe aufm Schleifstein

Ich sag mal . . .

| Lesedauer: 2 Minuten
Hermann Schreiber

Hamburg. Kennen Sie Lehmann? Nein, nicht Herrn oder Frau Lehmann - einen Lehmann eben. Einen Vorschlaghammer. Wussten Sie, dass ein Lehmann in der Sprache der Handwerker ein Vorschlaghammer ist (oder jedenfalls war)? So wie Engländer und Franzose Schraubenschlüssel sind? "Engländer und Franzose haben ein doppelseitiges Maul und im Schaft bzw. offenliegend eine Verstellspindel." Das ist nicht fremdenfeindlich, sondern steht so im Brockhaus.

Ich verkneife mir jede Spekulation darüber, warum ausgerechnet ein Vorschlaghammer zu dem ziemlich deutschen Namen Lehmann gekommen ist. Das spielt hier auch keine Rolle. Mich erinnert es daran, dass die Umgangssprache nicht nur ständig neue Wörter erfindet, sondern dass Wörter auch untergehen, bis am Ende kaum noch einer weiß, was sie bedeuten.

Verschwunden ist zum Beispiel (durchaus sozialverträglich) das Gesinde, also die versammelte Dienerschaft eines Gutsherrn (leider nicht auch das Gesindel). Eine Maulschelle, um 1700 herum eine Art Ritterschlag für den Gesellen am Ende seiner Lehrzeit, kann heutzutage als Körperverletzung geahndet werden. "Sapperlot!" als Ausdruck sowohl der Überraschung wie der Verwünschung ist ebenso außer Betrieb wie das niedliche "pardauz", an dessen Stelle Comic-taugliche Rufe wie Zack! Biff! Boing! getreten sind. Und sprechen Sie etwa noch von der Wollust?

Der Kollege Bodo Mrozek hat ein veritables "Lexikon der Bedrohten Wörter" zusammengestellt, das nicht nur Nostalgikern Spaß machen wird. Haben Sie zum Beispiel gewusst, dass ein "Achtgroschenjunge" so hieß, weil die Polizei noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts einem Informanten acht Groschen für die Anzeige einer Übeltat gezahlt hat? Dass die Dame vom Catering-Service früher Kaltmamsell hieß und aus Schinkenröllchen, Gurken und Radieschen wahre Kunstwerke angerichtet hat?

Es verschwinden auch komplette Redensarten. Sagt heute noch jemand "Det kann Lehmanns Kutscher ooch"? (Hier ist Lehmann natürlich nicht der Vorschlaghammer.) Auch in Berlin habe ich so was lange nicht mehr gehört - auch nicht den Spruch: "Der sitzt da wie'n Affe aufm Schleifstein!" Früher hatten Scherenschleifer (aus Marketing-Gründen) manchmal ein dressiertes Äffchen dabei. Aber können Sie sich einen Affen auf dem Schleifstein vorstellen? Lassen Sie's lieber.