Beim St.-Pauli-Festival am Millerntor zum Vereinsjubiläum feiern die Fans Bands aus aller Welt und ein Fußballmärchen in Braun-Weiß.

Hamburg. Hamburg 2010: ein Fußballmärchen in Braun-Weiß. Pünktlich zum 100. Geburtstag steigt der FC St. Pauli wieder in die Erste Bundesliga auf, und die Euphorie kennt keine Grenzen. Auch nicht beim Jubiläumsfestival, zum dem 21 000 Fans ins ausverkaufte Millerntorstadion gekommen sind. Diesmal gibt es keine Tore von Marius "Fußballgott" Ebbers zu bejubeln, dafür aber ein Konzertprogramm, das gewiss kein anderer deutscher Verein auf die Beine stellen könnte. Mal angenommen, der HSV hätte irgendwann irgendetwas zu feiern, dann käme Lotto King Karl. Punkt.

Bei St. Pauli dagegen: internationales Flair und natürlich eine ordentliche Portion Rebellion. "Ab jetzt gewinnen immer wir", singt Slime, die auch 30 Jahre nach Bandgründung noch mächtig abgeht. Beim Greatest-Hits-Programm der Hamburger Punk-Legende lässt sich wunderbar in Erinnerungen schwelgen, aber auch die Gegenwart wird an so einem Tag natürlich nicht ausgeblendet. "Sankt Pauli leuchtet nur hier", singt Dicken und jeder weiß, der Mann trägt den Totenkopf im Herzen. Ein ganz starker Auftritt.

Für Gänsehautmomente sorgen auch andere Bands. Talco aus Venedig zum Beispiel mit ihrer Version des italienischen Partisanenliedes "Bella Ciao" oder die Wakes aus Glasgow mit der irisch-republikanischen Hymne "Fields of Athenry" - beides tausendfach mitgesungen. Ebenso wie die Melodien des Seemannschors Hannover, der sogar Lieder der Südkurven-Ultras im Repertoire hat. Besonders kurios: wenn 60-Jährige im maritimen Einheitslook ein beseeltes "Wir sind Zecken, asoziale Zecken" anstimmen.

Ein strahlend sonniger Tag ist es. Ein echter Feiertag eben, der allerdings auch durstig macht. Und hier liegt das einzige Problem dieses Festivals: Die Schlangen an den wenigen Getränkestationen sind endlos lang. Auf ein bis zwei Bands muss deshalb verzichten, wer zwischendurch mal ein Bier braucht - weshalb Letzteres häufig im Sechserpack geordert wird. Hält dann wenigstens eine Weile vor. So verpasst man notgedrungen den Auftritt von Bela B. und seiner Band Los Helmstedt, die sich mit dem St.-Pauli-Abwehrrecken Marcel Eger am Schlagzeug verstärkt hat. Oder kommt zu spät zu Kettcar, die mit einem Augenzwinkern bekennt, sie hätte eigentlich nie Stadionrock machen wollen - und dann eben doch ein ganzes Stadion rockt.

Höhepunkt: der Gastauftritt von Thees Uhlmann, dessen hymnische St.-Pauli-Liebeserklärung "Das hier ist Fußball" Tränen der Rührung in die Augen treibt. Was kann danach noch kommen? Kann danach noch etwas kommen? Es kann. Partystimmung nämlich, als Fettes Brot die Bühne entert. Ganz in Weiß und mit exquisiter Band im Rücken gibt's eine Hit-Vollbedienung inklusive "Nordisch By Nature" und "Schwule Mädchen". Nur ein entscheidendes Tor in der letzten Minute der Verlängerung kann schöner sein. Denken wohl auch einige Fans, die nach sieben Stunden gehen und den überragenden Auftritt der mexikanischen Ska-Punks von Panteón Rococó verpassen, deren tanzbarer Sound die letzten Energien fordert. Glühende Pauli-Fans auch sie, wie alle, die an diesem Tag aufgetreten sind und gezeigt haben: Das coole Hamburg ist hier. Auf St. Pauli.