Die beliebtesten Titel der Bücherhallen: In den Elbvororten bevorzugt man Juli Zeh, Wandsbek leiht Daniela Katzenberger

Was es wohl zu bedeuten hat, dass das in den vergangenen zwölf Monaten am häufigsten aus den Hamburger Bücherhallen entliehene Buch den Titel „Utopien“ trägt? Träumen die Hamburger etwa von einer anderen, besseren Gesellschaft, haben sie Zukunftsvisionen? Man weiß es nicht, es wäre aber sympathisch. Vielleicht wollen sich die Leser des Sammelbandes mit Texten der historischen Utopisten Morus oder Defoe, er wird von dem Schweizer Nicola Bardola herausgegeben, aber auch nur davon überzeugen, dass Visionen nichts taugen.

Klar ist nur eines: „Utopien“ ist die Nummer eins. Kein Titel wurde zwischen Juli 2012 und Juli 2013 öfter ausgeliehen. Das ergibt eine Durchsicht der Bestenlisten der Bücherhallen. Sachbücher gehen gut. Romane aber auch. Wenn sie „Böser Wolf“ heißen und von Nele Neuhaus sind. Oder von Charlotte Link. Deren Buch „Im Tal des Fuchses“ ist zurzeit einer der Favoriten in der Billstedter Bücherhalle. In Bergedorf mögen sie lieber Ida Hansens „Ein Riesenherz im Friesennerz“.

Hier und jetzt soll es um die literarischen Hits gehen. Es gibt Titel, die werden über die gesamte Stadt verteilt viel nachgefragt – und solche, die sind nur in bestimmten Stadtteilen ein Volltreffer. Schaut man auf die Top-Ten-Listen der Bücherhallen, kann man schon auf die Idee kommen, es mit einer literarischen Kartierung Hamburgs zu tun zu haben, auch wenn sich die Präferenzen grundsätzlich ähneln.

Wobei zunächst interessant ist, dass der „Utopien“-Band hamburgweit viel gelesen wird. Er ist kein rein lokales Phänomen, wird aber vor allem in Altona gelesen: Dort taucht er in der Leihliste ganz oben auf. Die Hamburger Bücherhallenkunden interessierten sich in den vergangenen zwölf Monaten auch ziemlich für das Schicksal der Expräsidenten-Exgattin Bettina Wulff, deren biografisches Buch „Jenseits des Protokolls“ häufig ausgeliehen wurde. In die Gesamt-Hamburg-Bestenliste schaffte sie es aber knapp nicht. Anders als Jürgen Fischer mit seinem medizinischen Ratgeber „Das Arthrose-Stopp-Programm“, der dort auf Platz zehn liegt. Zwischen Utopie und steifen Gelenken passen vor allem Spannungsromane: „Flammenalphabet“ von Ben Marcus (Platz 2), Helga Glaeseners „Die Hexe und der Leichendieb“ (3) oder Johan Theorins „Blutstein“ (5).

Wahrscheinlich rühren viele literarische Vorlieben der Bücherhallenleser von kaum messbaren Größen wie den Empfehlungen der Bibliothekare und unter den Besuchern kursierenden Lesetipps. Wer unbedingt will, kann trotzdem von den jeweiligen Bücherhallen-Charts auch auf die Bewohner schließen: Zeige mir dein Buch, und ich sage dir, wer du bist. In Alstertal lesen sie gerne Hamburgensien (Gunter Gerlach, „Liebe und Tod in Hamburg“), aber auch Schwedenkrimis (Helene Trusten, „Im Schutz der Schatten“). Die Fantasy-Reihe „Das Lied von Feuer und Eis“, auf der die populäre TV-Serie „Game of Thrones“ beruht, ist in Barmbek und Steilshoop besonders beliebt, während Jussi Adler-Olsen in vielen Bücherhallen von Hand zu Hand wandert.

Die kulturbeflissenen Elbvorortler greifen auch schon mal zu den Büchern der von Kritikern gepriesenen Autorin Juli Zeh („Nullzeit“), wogegen sich die Fuhlsbüttler für „Gehäkelte Kuscheltiere in den Ferien“ mehr als nur erwärmen können. In Jenfeld ist Senioren-Power das große Ding (Janne Mommsen, „Oma dreht auf“). In Kirchdorf und Langenhorn ist man vor allem daran interessiert, die eigenen intellektuellen Leistungen zu optimieren (Daniel Kahneman, „Schnelles Denken, langsames Denken“), während die Wandsbeker den Königsweg anderswo gefunden haben (Daniela Katzenberger, „Sei schlau, stell dich dumm“).

Und was liest und leiht Ihr Stadtteil? Die Bestenlisten aller Hamburger Bücherhallen hier auf einer interaktiven Karte.