Hamburg. Die Bedingungen, unter denen Menschen vornehmlich in Südasien von den Reedereien entsorgte Schiffe zerlegen, sind vielfach dokumentiert: Sie sind unhaltbar, die Arbeit ruiniert die Gesundheit der Arbeiter, von den Belastungen für die Umwelt ganz zu schweigen.
Öl, Blei, Chemikalien wie PCB – der ganze Mist landet auf den Schiffsfriedhöfen in den Armenhäusern der Welt. Ein Hotspot der globalen Schiffsverschrottung liegt im indischen Alang. Allein während der Corona-Pandemie sollen in der dortigen Abwrackwerft 15 Kreuzfahrtschiffe demontiert worden sein.
Hamburger Schiff in Indien verschrottet: Frachter enthielt 14.000 Tonnen gefährliche Abfälle
In Alang landete offenbar auch ein ausgemustertes Containerschiff einer Hamburger Schiffsbetreibergesellschaft. Zwei Prokuristinnen dieses Unternehmens wirft die Hamburger Staatsanwaltschaft vor, das Schiff an einen Barzahler („Cash Buyer“) verkauft zu haben, um es von ihm verschrotten zu lassen – letztlich geschah das in Alang. „Dabei sollen die Beschuldigten gewusst haben, dass das Schiff letztendlich in Indien unter Bedingungen abgewrackt werden sollte, die nicht den üblichen Umweltstandards entsprachen“, so die Staatsanwaltschaft. Das Fahren der Altschiffe auf einen Strand wird in Fachkreisen auch „Beaching“ (Anm.: Beach für Strand) genannt.
Die Organisation der Verschrottung lief mutmaßlich über einen Mann, den dritten in dieser Sache Beschuldigten. Zunächst soll er den 2001 gebauten Frachter weltweit zur Entsorgung angeboten haben. Dabei handelte es sich um ein fast 213 Meter langes Schiff, das zum Verkaufszeitpunkt rund 14.000 Tonnen gefährlicher Abfälle enthalten haben soll, so die Anklagebehörde. Konkret: 500 Kilogramm Bleiakkumulatoren, 970 Tonnen Mineralölabfälle und 13.000 Tonnen Abfälle aus Metallen und Metalllegierungen.
Hamburger Schiff im indischen Alang verschrottet: Staatsanwaltschaft hält sich bedeckt
Weder den Namen des Schiffs noch den der Betreibergesellschaft wollte die Staatsanwaltschaft auf Nachfrage aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nennen. Zumal das Gericht über die Zulassung der Anklage auch noch gar nicht entschieden habe. Die ganze Materie sei ohnehin „rechtlich äußerst komplex“, sagte Liddy Oechtering, Sprecherin der Staatsanwaltschaft, dem Abendblatt.
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Dieses mit gefährlichen Abfällen belastete Containerschiff soll dann am 16. Dezember 2016 für eine Abwrackprämie in Höhe von 4,776 Millionen US-Dollar und in Absprache mit den zwei angeklagten Prokuristinnen an den vorgenannten Cash Buyer mit Sitz in Hongkong verkauft worden sein. Nicht nur das: Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft soll der Beschuldigte den Kapitän des Containerschiffes angewiesen haben, es in Alang auf den Strand zu fahren, wo es anschließend verschrottet wurde.
Hamburger Schiff landet in Indien: Ist deutsche Strafjustiz überhaupt zuständig?
Rechtlich diffizil dürfte vor allem die Frage sein, ob die deutsche Strafjustiz für ein derartiges Umweltvergehen in einem Land wie Indien zuständig ist. Die Staatsanwaltschaft, die Anklage nach dem Abfallverbringungsgesetz erhoben hat, bejaht das ausdrücklich. Dass die Verteidigung hier anderer Ansicht sein dürfte, liegt in der Natur der Sache.
Indes betont die Staatsanwaltschaft auch: „Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens gilt für sämtliche Beschuldigten die Unschuldsvermutung.“
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