Schulreform Hamburg

Eine Reform mit eingebauter "Notbremse"

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Peter Ulrich Meyer

Foto: Ingo Röhrbein

Es tut sich was: Die schwarz-grüne Koalition in Hamburg wird bei ihren Angeboten an die Reformgegner noch einmal nachlegen.

Hamburg. Es könnte die Woche der Entscheidung in den Verhandlungen über einen Kompromiss im Streit um die Schulreform werden: Die schwarz-grüne Koalition wird nach Informationen des Abendblatts bei ihren Angeboten an die Reformgegner noch einmal nachlegen. Sollte die Volksinitiative "Wir wollen lernen" um den Rechtsanwalt Walter Scheuerl beim zweiten Treffen am Freitag auch auf diesen Vorschlag nicht eingehen, dürfte kaum mehr eine Chance zur Einigung bestehen.

So könnte das neue Angebot der Senatskoalition aussehen: Reformbefürworter und -kritiker einigen sich auf Qualitätsstandards, die für die Schulen gelten sollen. Zentrale Punkte sind die Lehrerversorgung, die räumliche und bauliche Situation an den Schulen und die Finanzierbarkeit von Neubauten sowie die Lehrerfortbildung. Vorgeschlagen wird ein Stufensystem zur Einführung der Primarschule, wobei ein neuer Schritt erst begonnen wird, wenn der vorherige erfüllt ist. Der Clou: Ob zum Beispiel alle Schulen konkret mit ausreichend Lehrern versorgt sind, könnte ein unabhängiges Gremium, an dem auch die Volksinitiative der Reformgegner beteiligt ist, überprüfen.

In diesem Zusammenhang spielt der Begriff "Notbremse" eine zentrale Rolle. Wenn die Qualitätsstandards auf einer Stufe nicht erfüllt werden, dann kann die Notbremse gezogen werden: Entweder muss nachgebessert werden, oder die Einführung der Primarschule wird gestoppt. Der Vorschlag eines solchen inhaltlichen Stufensystems war vom Unternehmer Michael Otto entwickelt worden, der auf Bitten des Senats als Moderator im Schulstreit tätig geworden war.

Schulsysteme - die Suche nach dem großen Wurf

Ein solches Verfahren würde bedeuten, dass die Primarschule später als bislang geplant eingeführt werden würde. Eine "Entschleunigung" der Reform hatte Schwarz-Grün bei der ersten Verhandlungsrunde am vergangenen Freitag bereits vorgeschlagen - allerdings nur allgemein. Experten erwarten, dass sich die stufenweise Einführung der Primarschule unter externer Evaluation bis 2012 hinziehen könnte.

Nach Abendblatt-Informationen hat Moderator Otto seine Kompromissvorschläge in der Verhandlungsrunde am Freitag selbst vorgestellt. Dabei wurde deutlich, wie das Elternwahlrecht nach Klasse sechs erhalten bleiben könnte. Otto schlug vor, die Entscheidung über die Wahl der weiterführenden Schule zunächst in die Hände der Lehrerkonferenz zu legen. Kinder, deren Eltern Widerspruch gegen die Lehrerentscheidung einlegten, hätten dann eine einjährige Probezeit am Gymnasium.

GAL-Fraktionschef Jens Kerstan hatte diesen Vorschlag für die Koalition der Initiative angeboten, doch die Reaktion war frostig. Initiativensprecher Scheuerl erklärte, dass die Reformgegner nicht über das Elternwahlrecht am Ende von Klasse sechs, sondern von Klasse vier sprechen wollten. Teilnehmer der Runde aufseiten des schwarz-grünen Bündnisses registrierten jedoch auch, dass es aufseiten der acht anwesenden Reformkritiker unterschiedliche Positionen gab.

Unterdessen hat Scheuerl eine erste Auswertung der Verhandlungen aus seiner Sicht vorgelegt und an seine Mitstreiter verschickt. Darin beklagt der Anwalt erneut den zu allgemeinen Charakter der Koalitionsvorschläge vor allem vonseiten der GAL. Allerdings spielt auch bei Scheuerl der Begriff der Notbremse eine wichtige Rolle. "Wir haben den Standpunkt vertreten, dass man zwar über Starterschulen (auf freiwilliger Basis, die Red.) als Erprobung mit anschließender externer Evaluierung sprechen könne, dass aber eine solche Erprobung auch als Notbremse bedeuten müsse, dass die weitere Umsetzung gestoppt werden könne und bis dahin nicht flächendeckend vollendete Tatsachen geschaffen werden", so Scheuerl.

Für die Initiative sei die "flächendeckende und verbindliche Einführung der Primarschule - auch in Stufen - keine Option". Die FDP forderte die Reformgegner am Wochenende auf, Kurs zu halten. "Die 184 000 Unterstützer des Volksbegehrens gegen die Primarschule dürfen nicht enttäuscht werden", sagte der neue bildungspolitische Sprecher der FDP, der Landesvorsitzende Rolf Salo.

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