Hamburg. Alle elf Minuten verliebt sich ein Single über Parship. Das behauptet zumindest die Werbung. Etwas länger als elf Minuten hat es am Donnerstagvormittag gedauert, ehe bei der mündlichen Verhandlung zu einer Musterfeststellungsklage gegen die Online-Partnervermittlung die zunächst fehlerhafte Technik wieder funktioniert. Als dann die Mikrofone endlich angeschlossen waren, konnten die Richter gut hörbar vortragen, wie sie die Rahmendaten des Kündigungsrechts bei der Online-Partnervermittlung Parship einschätzen.
Um es vorwegzunehmen: Es wurde eine Sowohl-als-auch-Einschätzung. So folgte das Hanseatische Oberlandesgericht der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) lediglich in einem Punkt, dass automatische Verlängerungen bei Sechsmonats- und Zwölfmonatsverträgen ab zwölf Wochen vor dem theoretischen Vertragsende unverhältnismäßig seien. Anders bewertete das Gericht dagegen die Sachlage bei Zweijahresverträgen und bei der Frage, ob die Dating-App nicht sogar jederzeit kündbar sein müsste.
Parship: Verbraucherzentrale war vor Gericht nur teilweise erfolgreich
Das Schöne daran: Die beiden Parteien „matchen“ sich anschließend trotzdem in ihren Bewertungen. „Das Gericht hat in der heutigen Verhandlung zum Ausdruck gebracht, dass es Verlängerungsklauseln, wie sie Parship verwendet hat, in bestimmten Konstellationen für unzulässig hält“, sagte Henning Fischer, der Referent im Team Musterfeststellungsklagen beim Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. „Das ist ein großer Erfolg für uns.“
Diesen verbuchte allerdings auch Parship-Sprecher Christian Steinhof für sich und seinen Arbeitgeber. „Wir sind sehr zufrieden mit dem Verlauf der heutigen Verhandlung“, sagte Steinhof. „Das Gericht ist in den wesentlichen Punkten unserer Rechtsauffassung gefolgt. Unser Service ist demnach nicht als ,Dienst höherer Art‘ zu bewerten. Die Ausführungen des Gerichts unterstreichen, dass das digitale Angebot von Dating-Plattformen nicht mit der Dienstleistung klassischer ,Offline‘-Heiratsvermittler, für die die Paragrafen 627 und 656 vor mehr als 120 Jahren Eingang in das BGB gefunden haben, vergleichbar ist.“
29 Parship-Kunden hatten Musterfeststellungsklage initiiert
Hintergrund der Musterfeststellungsklage sind insgesamt 29 Fälle von verärgerten Parship-Kunden und -Kundinnen, die zwischen 2017 und 2020 Premium-Mitgliedschaften abgeschlossen hatten – und sich anschließend an die Verbraucherzentrale gewandt hatten. Ihr Kritikpunkt: Weil sie bei der Partnervermittlung viele Angaben aus ihrer Privat- und Intimsphäre gemacht hatten, wollten sie ein fristloses Kündigungsrecht. Da wollen die Richter allerdings nicht mitmachen. Ihr Urteil wollen sie am 26. Oktober verkünden.
Da dürften dann auch viele frühere Parship-Kunden genau hinhören. Seit Einreichung der Musterfeststellungsklage haben bereits mehr als 1200 Verbraucherinnen und Verbraucher eigene Ansprüche beziehungsweise Rechtsverhältnisse zur Eintragung in das Klageregister angemeldet. Mit anderen Worten: Es geht um ziemlich viel Geld.
Parship hat inzwischen seine Geschäftsbedingungen geändert
Um wie viel genau es für sein Unternehmen geht, wollte Parship-Sprecher Steinhof nach der Verhandlung nicht verraten. Es gehe aber ohnehin nur um die Premium-Mitgliedschaften zwischen 2017 und 2020, betonte Steinhof. Inzwischen habe Parship seine Geschäftsbedingungen geändert. Doch auch für die damaligen Kunden geht es um viel. So rechnete einer der Richter vor, dass ein Sechsmontsabo zum Zeitpunkt der Klageerhebung 79,90 Euro kostete, ein Zweijahresabo immerhin noch 45,90 Euro. Pro Monat, wohlgemerkt.
Verliebtsein im 21. Jahrhundert hat eben seinen Preis – zumindest im Netz. Doch obwohl der Preis der meisten Datingapps wie Parship, Tinder, Bumble oder Finya oft sehr hoch ist, ist die Zufriedenheit der meisten Kunden eher niedrig. Das zeigte jedenfalls eine Studie des Deutschen Instituts für Service-Qualität (DISQ) im Auftrag von „Ntv“ aus dem vergangenen Jahr, wonach keine einzige Singlebörse die Kunden wirklich überzeugen konnte. Immerhin: Der Gesamtsieger damals hieß Parship.
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Das Parship-Prinzip basiert nach eigener Aussage auf einem ausgeklügelten Algorithmus. Liebeshungrige müssen zunächst rund 80 Fragen beantworten. Aus den rund 400 Antwortmöglichkeiten ermittelt die Plattform insgesamt 32 Persönlichkeitsmerkmale, die laut der Homepage in einer Beziehung wichtig seien: Werte, Einstellungen, Gewohnheiten und Interessen.
Parship und Co.: Anbieter haben sich auf das Kündigen von Verträgen spezialisiert
Doch auch der Ärger von enttäuschten Parship-Kunden über die Preispolitik des Unternehmens ist nicht neu. So gibt es mittlerweile sogar Unternehmen, die sich darauf spezialisiert haben, unzufriedene Kunden aus deren Vertragsverhältnissen herauszuklagen. ByMetis ist so ein Anbieter, der sich ein entsprechendes Kündigungsschreiben mit 30 Euro vergüten lässt.
Die möglicherweise immer noch günstigste Form des Verliebens: Im Supermarkt an der Frischetheke jemanden kennenlernen. Eine automatische Vertragsverlängerung ist dann jedenfalls nicht vorgesehen.
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