Die deutsche Rock-, Soul- und Gospelsängerin Inga Rumpf singt sich mit röhrender Stimme rauf in alle Höhen und raus aus allen Tiefen.

Sie wollte raus in die Welt. Als Funkerin auf hohe See. Und dann hat es ganz anders gefunkt. Mit Musik. Inga Rumpf, die einzige deutsche Rock-, Soul- und Gospelsängerin von Weltniveau, wie das Fachmagazin "Rolling Stone" sie nannte, ist 40 Jahre sehr erfolgreich durch die Welt getourt. Von Europa bis in die USA und nach Russland. Und ist hier wieder sesshaft geworden. Mit "Back to the Roots" kommt sie nun in die Fliegenden Bauten.

In den 70er-Jahren schrieb sie Rockgeschichte. Die Frau mit der röhrenden Stimme, die sich mit den Bands Frumpy und Atlantis mit Hymnen wie "How The Gipsy Was Born" and "Friends" Kultstatus eroberte. Und vorher natürlich auch mit den City Preachers mit Udo Lindenberg am Schlagzeug. Später kamen viel sanftere Töne dazu. Auf dem Evangelischen Kirchentag, der Expo in Hannover, in der Jacobikirche und vor allem im Michel. Um Liebe ging es da viel und um Spiritualität. Rockkonzerte gehören da einfach nicht hin, sagt sie. Von der Akustik her. Und inhaltlich auch nicht. Inga Rumpf zahlt wieder Kirchensteuer nach ihrem Kirchenaustritt in den wilden 70ern. Als Miete, um die Räume nutzen zu können. Und ja, sie glaube an Gott.

Wir sitzen im Garten der Fliegenden Bauten. Umdrängt von dichten Regenwolken. Und irgendwie auch vom Leben. 40 Jahre Musikgeschichte und 60 Jahre Leben. In alle Höhen raufgesungen und aus allen Tiefen immer wieder rausgesungen. Musik lag ihr im Blut und damit habe sie sich am besten verständigen können, sagt sie. Schon als Vierjährige.

Begonnen hat alles in St. Georg. Die Mutter mit der Kirchenchorstimme, der Vater mit der Ziehharmonika. Die Grundschuljahre in der Koppel, eine Mädchenklasse, in der die bunte schräge Welt der Langen Reihe und die besser Situierten von der parallel verlaufenden An der Alster nebeneinandersaßen. Die heute zum gleichnamigen Restaurant umgebaute Turnhalle, der Eisenwarenhändler Prien, das Café Gnosa, Schwidrowski, der Nähmaschinenladen, in dem sie in den Ferien jobbte. Eine Kindheit in den Nachkriegsjahren. Der Vater, Kapitän der Handelsmarine, verschrottet schweren Herzens die Schiffe im Hafen. Die Wohnung winzig, das Geld karg, das Klo auf der Treppe, Inga Rumpfs Essplatz an der ausgeklappten Backofenklappe, weil der Tisch nur für Vater, Mutter und die ältere Schwester reicht.

Sie ersingt sich ihre eigene Welt. Fängt mit "La Paloma" in der Küche an, tritt im Jugendheim auf St. Pauli auf, kann ihre erste und einzige Joe-Cocker-Platte in- und auswendig, tourt mit den Jungs im Ford Transit über die Dörfer und geht durch alle Phasen der Musikgeschichte: Folksongs, Gospel und Blues; die Sturm- und Drangzeit mit Rock und Undergroundprotest; kommt zum Jazz, weil sie zum ersten Mal versteht, was Billie Holiday da singt: Liebesleid, Trennung, Schmerz, der einen zerreißt. "My Life Is A Boogie", singt sie Ende der 70er-Jahre. Ein Leben in Bewegung. Im Dauereinsatz. Da ist sie 30. Hat sich heiser geröhrt gegen das Gewumme der katastrophalen Anlagen, gegen Schlagzeug, Gitarre, Bass. Probierte alles aus, was das Leben so hergibt. Sieht Musiker um sich herum an Drogen und Alkohol scheitern und ist froh, dass sie es im Griff behalten kann.

Es ist ein seltsam vertrautes Gespräch. Mit Rückenwind und ein paar Regentropfen. Wir rühren gemeinsam im Kaffee, lachen über die Zeit im Top Ten, als sie um 22 Uhr von der Polizei rausgeholt wurde "als 18-Jährige oder so", Sozialstunden im Krankenhaus ableisten musste und ihre Mutter fürchtete, sie lande jetzt auf der schiefen Bahn. Haken die verschiedenen Altersphasen ab, die sie durchlebt hat. Die taumelige Jugend mit der Angst, etwas zu verpassen; die 40er, in denen sie sich gefunden hatte und noch mal wieder voll durchzog; die leichte Panik mit 50; die Ruhe mit 60.

Echt, sagt sie, sie habe alles gehabt, sich ausgetobt und fühle sich so ein bisschen wie eine alte Dame, die ihre Hand über andere hält, sie beobachtet und vorsichtig lenkt. Und dass sie Falten liebe, wie die von Eartha Kitt, und hier, sagt sie, diese an der Nasenwurzel sind ein Zeichen von Energie. Wie tröstlich.

Und dann kommen wir zu der traurigsten Phase ihres Lebens. Als vier Menschen, die sie liebt, innerhalb eines Jahres sterben. Als letzter Ehemann Nikolaus. Die große Liebe ihres Lebens. Nein, nicht unverhofft auf einem Schimmel dahergekommen. Mit 40 komme so was im weißen BMW oder von ihr aus auch im weißen Audi. Der Blumenhändler aus dem Ruhrgebiet und die ewige Hippiefrau - eine Idealbesetzung. Ein Baum, der mir Schatten gab, sagt Inga Rumpf. Verknotet ihre Finger. Erzählt vom Zorn, den man rausschreie. "Du lässt mich einfach hier zurück." Von der Trauer und der Akzeptanz, dass sie nur das aufgebrummt kriege, was sie wirklich tragen könne.

In dem Bauernhaus am Jadebusen in der Wesermarsch wollten sie gemeinsam leben. Nun habe sie sich von Gemüsebeeten getrennt, düse mit dem Trecker über den Rasen und wühle in den Blumenbeeten, weil ihr da die besten Songtexte einfallen. Und auch ohne Meer geht es nicht. Sie schwimmt gerne, löst dabei Probleme "mit dieser Alphaströmung im Kopf". Und dann lacht sie, sagt, das kannst du natürlich auch im Hallenbad haben. Wie praktisch. So ist sie nun mal, Inga Rumpf , die im Boden fest verankerte Musiklegende, der Amerika zu unheimlich war und die immer wieder zurückkehrte nach Hamburg, in ihre Stadt. Back to the Roots eben.