Hamburg. Seine wachen blaugrauen Augen wandern schnell durch die lichtdurchfluteten Räume am Gänsemarkt, blicken auf die Friseurinnen, die Kunden bedienen. Peter Polzer, Eigentümer von vier gleichnamigen Friseurgeschäften, genießt die Stunden hier. Denn es sind einige der letzten. Seit 1963 kümmerte er sich um Haarschnitte und Frisuren der Hamburger Gesellschaft, Prominente strömten in seine Filialen, wollten auch die klaren Schnitte ins Haupthaar, die sie in Zeitschriften gesehen hatten.
Doch nun verkauft Figaro Polzer alles. "Der einfache Grund ist: In diesem Jahr werde ich 78 Jahre alt", sagt Polzer und schlägt die Beine übereinander. Er trägt einen grauen Anzug mit weißem Einstecktuch, dazu schwarze Wildlederschuhe. "Diese Entscheidung ist mir sehr schwer gefallen", gibt er zu, "mein Herz wollte es immer noch hinauszögern, aber ich möchte eben nicht mit 80 hier durch den Laden stolpern." Dann lächelt er, grinst schelmisch. Seine Salons in Eppendorf, am Mönckebergbrunnen und am Gänsemarkt übernehmen langjährige Mitarbeiter, das Geschäft im Elbe-Einkaufszentrum wird wie die Filiale in Bergedorf zum Franchiseunternehmen. Die Marke Peter Polzer bleibt somit erhalten. "Damit ist Kontinuität gewährleistet, die große Linie bleibt. Es wäre ja töricht, alles umzuwerfen." Deshalb wird er weiterhin als Berater fungieren.
Auch betriebswirtschaftliche Gründe spielten eine Rolle. Sonst wäre Polzer, der Anfang der 60er-Jahre aus Chemnitz an die Elbe kam, wohl auch nicht so beliebt und bekannt geworden. Er betrachtet seinen Beruf nicht nur als kreatives Schaffensfeld, vielmehr standen zu Beginn rationale Überlegungen an. "Zuerst habe ich nach einer Möglichkeit gesucht, Kundinnen aus Eppendorf zu gewinnen, die noch keinen festen Friseur hatten", sagt Polzer. Also vergab er viele Abendtermine, die die berufstätigen Frauen wahrnehmen konnten. Ein Erfolg. So groß, dass er bald nicht mehr alle selbst bedienen konnte, die Frauen aber nur zu ihm wollten. "Meine Idee war 1967, nicht mehr selbst zu schneiden, sondern nur noch zu begrüßen, beraten und Anweisungen zu geben.
Dann hat eine Angestellte übernommen, die natürlich gut geschult war." So hatte jede das Gefühl, "beim Chef" gewesen zu sein. Wichtig ist immer: "Die Kundin soll kein Kunstwerk auf den Kopf gezaubert bekommen, sondern eine Frisur, die sie nach dem Waschen auch allein zu Hause frisieren kann", erklärt Polzer eine Zutat seines Erfolgsrezepts. Im Zehn-Minuten-Takt saßen jahrelang die Damen der Gesellschaft vor ihm. "Konkurrenten haben mich oft als kommerziell betitelt und haben das negativ gemeint - aber ich habe es immer als Kompliment gesehen." Polzer feixt, trinkt einen Schluck Grüntee. Bekannt wurde Polzer auch dadurch, dass er in Frauenzeitschriften das damalige Novum "Frisuren zum Selbermachen" kreierte und vorstellte.
Eine Schere nimmt er nur in die Hand, um "gelegentlich" seiner Frau Karin-Sigrid die Haare zu schneiden. Seit 43 Jahren sind die beiden verheiratet, früher saß sie sechs Tage pro Woche am Empfang. "Das hatte Vorteile. Wenn man Meinungsverschiedenheiten hat, dann gingen die immer ums Geschäft." Er lacht und erzählt, dass er sich nun auf die Zeit danach freue, auf Spaziergänge mit dem Mischlingshund, Skifahren, vor allem Ausstellungs- und Museumsbesuche. Kunst spielt in Polzers Leben eine wichtige Rolle, Literatur und die Fotografie. Heute surft er durchs Internet, besucht auch mal die Seiten des Statistischen Bundesamts. "Ich interessiere mich für jeden Quatsch", sagt Polzer selbstironisch. Und das soll sich auch nicht ändern.
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