Museen Hamburg

„Man & Mining“: Diese Ausstellung geht jeden etwas an

| Lesedauer: 7 Minuten
Das Foto von Toby Smith gibt Einblick in die Saphir-Mine in Ilakaka, Madagaskar (2013), betrieben von einem Schweizer Unternehmer: Hier befördern Arbeiter per Hand und nur mit mechanischen Wasserpumpen die Edelsteine aus 30 Meter Tiefe für einen Tageslohn von zwei Dollar.

Das Foto von Toby Smith gibt Einblick in die Saphir-Mine in Ilakaka, Madagaskar (2013), betrieben von einem Schweizer Unternehmer: Hier befördern Arbeiter per Hand und nur mit mechanischen Wasserpumpen die Edelsteine aus 30 Meter Tiefe für einen Tageslohn von zwei Dollar.

Foto: Toby Smith, Unknown Fields

Im Museum der Arbeit zeigen zeitgenössische Fotografien die katastrophale Ausbeutung der Erde und vieler Menschen – für unseren Konsum.

Hamburg. „Schmutzige Kobalt-Gewinnung: Vorwürfe gegen BMW-Zulieferer“: Die Nachricht über massive Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen im Umfeld der Kobaltmine Bou Azzer in Marokko traf kurz vor Eröffnung von „Man & Mining“ ein. Aktueller könnte eine Ausstellung über den Abbau mineralischer Rohstoffe und dessen ökologische, soziale und politische Folgen nicht sein. Wobei sich Katastrophen wie die in Marokko überall auf der Welt und zu jeder Zeit ereignen. Doch nur selten fühlen wir uns davon wirklich betroffen, wenn die Krisenherde weit genug entfernt sind. Und selbst Nachrichten wie die, dass Minenarbeiter für die Batterien von BMW-Elektroautos ohne Sicherheitsstandards unter Lebensgefahr arbeiten und Flüsse vergiftet werden, nutzen sich in der täglichen Nachrichtenflut ab – so furchtbar sie auch sind.

Genau hier setzt die Ausstellung im Museum der Arbeit an: Sie macht deutlich, dass angesichts einer schnell wachsenden Weltbevölkerung und immer weiter steigender Konsumbedürfnisse jeder Einzelne an diesem globalen Teufelskreis aus Profitdenken, Ausbeutung von Arbeitern und nicht nachhaltigen Abbaupraktiken vor allem im globalen Süden beteiligt ist. Was die nachfolgenden Generationen vor enorme Probleme stellt. Es ist nicht neu, dass Direktorin Rita Müller gesellschaftlich brisante Themen aufgreift, man denke an „Out of Office“ (KI), „Streik!“ (über die Geschichte von Arbeiterkämpfen) oder „Grenzenlos. Kolonialismus, Industrie und Widerstand“. Neu ist bei „Man & Mining“, dass das Thema ausschließlich über starke fotografische Serien und zeitgenössische Kunst erzählt wird.

„Man & Mining“: Diese Ausstellung geht jeden etwas an

So treffen die Bilder des südafrikanischen Fotografen Pieter Hugo einen empfindlichen Nerv: In der Serie „Permanent Error“ (2009/10) konfrontiert er uns mit der Kehrseite moderner Technologien: Tausende Tonnen Elektroschrott aus Europa, dessen Recycling in einer legalen Grauzone in Ländern wie Ghana geschieht. Seine Protagonisten, die die giftig dampfenden Müllhalden nach brauchbarem Kupfer, Stahl oder Aluminium durchsuchen, blicken die Betrachtenden direkt an und wirken eigenartig inszeniert. Was zunächst wie eine ästhetische Stillife-Fotografie aussieht, offenbart auf den zweiten Blick und mit dem Wissen um das Thema seinen Schrecken.

Die weltberühmten Schwarz-Weiß-Bilder, die der brasilianische Fotograf Sebastião Salgado 1986 in der damals weltweit größten Goldmine Serra Pelada im Norden Brasiliens schoss und mit denen er den „Goldrausch“ dokumentierte, dem 100.000 Menschen verfallen waren, sind einer Serie von Danny Franzreb gegenübergestellt. „Proof of Work“ (2023) bietet einen Einblick in die Welt von Blockchain, Bitcoin, NFTs und den Menschen, die sie antreiben. Im Kryptowährungsboom von 2021/22 begab sich der Fotograf auf eine einjährige Reise, um die Welt digitaler Währungen zu erkunden, vom Schürfen im Keller über industrielle Mining-Farmen in Russland bis hin zu nachhaltigen Hightech-Fabriken in Schweden.

Vasen aus toxischem Schlamm stehen für Abfallprodukte

China produziert mehr als 95 Prozent der global verarbeiteten seltenen Erden. Diese werden heute für die Herstellung von Batterien, Solarpaneelen und Unterhaltungselektronik genutzt. Das Künstlerkollektiv „Unknown Fields“ hat toxischen Schlamm, ein Abfallprodukt bei der Gewinnung seltener Erden, aus einem radioaktiven See in der Inneren Mongolei verwendet, um drei Vasen herzustellen. Die Größe der Gefäße entspricht dabei genau den Abfallmengen, die bei der Produktion eines Smartphones, eines Laptops und einer E-Auto-Batterie entstehen.

„Täglich sind wir in Berührung mit der gesamten Welt, ohne uns viele Gedanken darüber zu machen. Von den Materialien, aus denen unsere Gebrauchsgegenstände gebaut sind, bis hin zu den Technologien, die wir täglich nutzen – überall stecken Rohstoffe aus unterschiedlichen Regionen der Welt. Ich halte den Weg, die Ausstellung ausschließlich über zeitgenössische Kunst zu erzählen, für den idealen Anstoß, sich mit einem solch aktuellen wie komplexen Thema auseinanderzusetzen“, sagt Mario Bäumer. Er hat die Schau zusammen mit Kollegen der Völklinger Hütte kuratiert und auch mit der Körber-Stiftung kooperiert. Dort wurde im Vorfeld der Ausstellung eine Forsa-Umfrage zum Thema in Auftrag gegeben.

Beim Idee-o-Meter sein eigenes Denken und Handeln testen

Die große Mehrheit der Bundesbürgerinnen und -bürger (80 Prozent) findet es sehr wichtig bis wichtig, dass Deutschland seinen Rohstoffverbrauch reduziert. 85 Prozent der Befragten halten es zudem für wichtig, dass Deutschland und die EU Konzepte entwickeln, um die Abhängigkeit von Importen kritischer Rohstoffe zu reduzieren. 80 Prozent sehen in erster Linie die Hersteller in der Verantwortung, für eine Reduzierung des Rohstoffverbrauchs bei der Herstellung von Produkten zu sorgen. Dabei fühlen sich 70 Prozent nicht gut über den Rohstoffbedarf vieler Alltagsprodukte informiert. Hinsichtlich der eigenen Möglichkeiten zur Reduzierung des Rohstoffverbrauchs gibt die Mehrheit der Befragten (54 Prozent) an, bereits die Reparatur von Elektro- oder Haushaltsgeräten einem Neukauf vorzuziehen.

Es ist also noch viel Luft nach oben, auch in puncto Eigeninitiative. Im letzten Teil der Ausstellung geht es um „Man WITHOUT Mining“, ein partizipativer Bereich, der um ein faires Leben mit kritischen Rohstoffen kreist. Beim Idee-o-Meter kann man sein Denken und Handeln zu Themen wie Rohstoffsteuer, Einschränkung der Mobilität und Recht auf Reparatur testen. „Nach vielen Eindrücken aus der Ausstellung haben die Besucherinnen und Besucher hier die Möglichkeit, selbst aktiv zu werden und ihre Meinung zu äußern“, sagt Initiatorin Sabine Qian von der Stiftung. „Hier soll diskutiert und auch gestritten werden, denn bei vielen Themen, die das persönliche Verhalten betreffen, klafft die Gesellschaft auseinander.“

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Ausstellung und Rahmenprogramm sind besonders auf Kinder und Jugendliche zugeschnitten, denn sie sind letztlich die Hauptbetroffenen, nicht nur, was die Folgen, sondern auch was das eigene Handeln betrifft. Spannend ist etwa das in alle Einzelteile zerlegte Smartphone: Es besteht aus mehr als 60 verschiedenen Metallen. Woher kommen die, unter welchen Bedingungen werden diese Rohstoffe gewonnen, und wie hoch ist der tatsächliche Preis, den wir dafür sozial, ökologisch und politisch zahlen?

„Man & Mining“bis 1.5.2024, Museum der Arbeit (U/S Barmbek), Wiesendamm 3, Mo 10.00–21.00, Mi–Fr 10.00–17.00, Sa/So 10.00–18.00, Eintritt 8,50/5,- (erm.),shmh.de