Bildung Hamburg

Schulreform: Die CDU watscht die internen Kritiker ab

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Andreas Dey

Foto: Piel

Dass der konservative Alsterkreis offen dazu aufruft, für die Vorlage der Reformgegner zu stimmen, stößt führenden Parteimitgliedern übel auf.

Hamburg. Am Alsterwasser scheiden sich schon die Geister. Für die einen ist es eine erfrischende Hamburgensie, für die anderen grenzt die Vorstellung, Bier mit Brause zu verdünnen, an Blasphemie. Für ähnliche Kontroversen sorgt nun der Alsterkreis, eine Gruppierung innerhalb der Hamburger CDU, die bereits seit einem Jahr existiert, sich aber erst jetzt zu erkennen gibt - als offene Gegner der von Schwarz-Grün geplanten Schulreform. Ihre Mail mit der Überschrift "CDU-Mitglieder für die Volksinitiative ,Wir wollen lernen'" wird von führenden Parteimitgliedern nicht als erfrischender Diskussionsbeitrag gewertet, sondern als übles politisches Foul, noch dazu am Mitspieler.

"Von solchen Gruppierungen halte ich gar nichts", sagte der Bundestagsabgeordnete und stellvertretende CDU-Landesvorsitzende Marcus Weinberg dem Abendblatt. "Es ist unehrlich und hat einen Beigeschmack, erst jetzt an die Öffentlichkeit zu gehen", so der Schulexperte. "Wir haben in diversen Parteigremien offen und kontrovers über die Reform debattiert. Jeder konnte sich beteiligen", sagte Weinberg. Irgendwann müsse aber entschieden werden, und der CDU-Parteitag habe im Sommer 2009 mit großer Mehrheit für die Primarschule gestimmt. "Es gehört zum demokratischen Prozess, das dann auch zu akzeptieren", so der CDU-Vize. Was Weinberg besonders ärgerte: "Ich hätte ja gern mit denen diskutiert, aber mich hat niemand eingeladen."

Der Alsterkreis hatte am Dienstagabend eine Mail an CDU-Mitglieder verschickt, in der er "alle Bürger" offen dazu aufruft, beim Volksentscheid am 18. Juli für die Vorlage der Reformgegner und gegen die der Bürgerschaftsfraktionen von CDU, GAL, SPD und Linkspartei zu stimmen. "Führende Unionspolitiker haben sich linksideologische Positionen zu eigen gemacht, anstatt christdemokratische Grundsätze in der Schulpolitik wirksam werden zu lassen", heißt es in dem Schreiben. Mit der Einführung der sechsjährigen Primarschule anstelle der vierjährigen Grundschule würde "das Leistungsprinzip als gerechtestes Kriterium sozialen Aufstiegs" geschwächt.

Der Alsterkreis hat etwa 60 Mitstreiter und verfolgt das Ziel, kein "Vakuum" rechts der CDU entstehen zu lassen. Der Briefkopf in altdeutscher Frakturschrift wirbt "Für einen konservativen Aufbruch". Für die Mail verantwortlich zeichnen Horst Szychowiak, ehemaliger CDU-Bürgerschaftsabgeordneter und heute Anti-Korruptionsbeauftragter beim NDR, sowie Johannes Keßner, Doktorand an der Bucerius Law School und Ex-Vorsitzender des Ring christlich-demokratischer Studenten (RCDS). Inzwischen ist er Vorsitzender des Rings christlich-demokratischer Akademiker (RCDA). Sein Weltbild beschreibt er auf der RCDA-Internetseite: "Die angestammte Bevölkerung altert rasch. Verdruss, Faulheit, Dekadenz und Naivität nagen an der Leistungsfähigkeit Europas."

Auf Abendblatt-Anfrage betonte Keßner gestern, dass er "Wir wollen lernen" schon als RCDS-Chef unterstützt habe. Auch hätten er und andere Alsterkreis-Mitstreiter sich CDU-intern immer wieder kritisch zu Wort gemeldet. Man wolle "an der Willensbildung innerhalb der CDU" mitwirken und keine neue Unterorganisation bilden. Die öffentliche Kommunikation der CDU sei "in einem Maße von den Reformbefürwortern geprägt, wie dies deren Gewicht innerhalb der Union nicht entspricht", so Keßner. "Das schadet der CDU, wie die aktuellen Wahlumfragen eindrücklich belegen." Für den öffentlichen Aufruf des Alsterkreises habe er "sehr viel Zustimmung von engagierten CDU-Mitgliedern erhalten".

Der Bürgerschaftsabgeordnete Robert Heinemann sieht den Vorstoß dennoch sehr kritisch: "Geheimbünde gibt es in der CDU nicht. Wer in der Partei etwas bewegen möchte, muss als erstes Gesicht zeigen." Obwohl auch Heinemann zu den wenigen CDU-Abgeordneten gehört, die der Schulreform offen kritisch gegenüberstehen, hält er die Vorgehensweise des Alsterkreises für "völlig indiskutabel". Der richtige Ort, um Unzufriedenheit zu äußern, sei der Landesfachausschuss Bildung. Auch dessen Vorsitzender Wolfgang Beuß findet es "unglücklich, dass Parteifreunde dazu aufrufen, gegen die CDU und ihren Bürgermeister zu stimmen".

Mit Genugtuung beobachtet hingegen Initiativen-Sprecher Walter Scheuerl die Vorgänge in der CDU: "Wir freuen uns über jeden zusätzlichen Unterstützer", sagte er. "Es war ja nur eine Frage der Zeit, bis sich CDU-Mitglieder zusammentun und sagen ,So kann es nicht weitergehen'." Kontakt zum Alsterkreis gebe es noch nicht, sagte Scheuerl. "Aber es wäre sicher sinnvoll, mal miteinander zu sprechen."