In der Hamburger Taiba-Moschee trafen sich die Attentäter des 11. September. Fast zehn Jahre blieb sie Treffpunkt für Dschihadisten.

Hamburg. Es ist 6.15 Uhr gestern, als 20 Polizisten am Steindamm 103 ankommen. Als die Beamten aus ihren Mannschaftswagen springen, öffnen sich auch die Türen mehrerer in der Nähe parkender Kleinwagen. Vertreter der Innenbehörde, des Staatsschutzes und, dem Vernehmen nach, Vertreter des Bundesinnenministeriums, hatten auf den Beginn des Einsatzes gewartet.

Ganze 20 Minuten benötigt der Mechaniker eines Schlüsselnotdienstes, um die vergitterte Doppeltür der Moschee aufzubrechen. Als sich die beiden metallenen Türflügel dann doch irgendwann öffnen, stürmen Polizisten und Behördenvertreter hinein. Die Büros und alle Gebetsräume werden durchsucht. Knapp eine halbe Stunde später werden die ersten Computer aus dem Haus getragen und in einen dunklen VW-Bus verladen. Leere Umzugskartons werden ausgeladen und in die Moschee gebracht. Die Polizei beschlagnahmt umfangreiches Beweismaterial. Nach knapp zwei Stunden ist der Einsatz beendet. Mit einem neuen Schloss versehen, wird die Eingangstür versiegelt. Ein Zettel hängt jetzt an der Tür. "Verbotsverfügung" steht darauf. Und: "Mit dem heutigen Datum erlässt die Behörde für Inneres eine Verbotsverfügung gegen den ,Taiba Arabisch-Deutschen Kulturverein e. V'."

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Hier, in diesem schäbigen Flachdachgebäude, trafen sich die Attentäter des 11. September 2001 im Gebetsraum im ersten Stock, um zu Allah zu beten und um den Heiligen Krieg, den Dschihad, zu planen. Hier im bunten Stadtteil St. Georg.

Das Gotteshaus blieb auch nach den Anschlägen geöffnet. Der heruntergekommene Komplex wurde zur Pilgerstätte für Gotteskrieger . Fast zehn Jahre war die Taiba-Moschee Treffpunkt für Dschihadisten , die in den Heiligen Krieg gegen den Westen auszogen. Fast zehn Jahre schien der Staat machtlos zu sein gegen diese Islamisten. Bis jetzt.

Der Verein "arabische Kulturverein E.V. Masjid Al-Kods" wurde 1993 gegründet. Der Zweck war die Förderung von islamischer Kultur und Bildung durch die Errichtung einer Gebetsstätte und Einrichtung einer Bibliothek. Die Al-Kuds-Moschee befand sich zunächst an der Adenauerallee 55, zog aber 1996 in das Gebäude am Steindamm 103. Erst Jahre später sollte die Moschee in "Taiba-Moschee" umbenannt werden. Die Vorstände des Vereins wollten den alten Namen abstreifen, um das schlechte Image loszuwerden.

Der Trägerverein der Moschee bekennt sich zum Salafismus, einer fundamentalistischen Auslegung des Islam, dessen Anhänger ausschließlich nach den Geboten des Koran leben wollen und alles Moderne ablehnen.

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Ideale Arbeitsbedingungen für Hassprediger wie den radikal-islamischen Imam al-Fazazi. Vom Ende der 90er-Jahre bis Anfang 2001 predigte er in der Al-Kuds-Moschee. "Christen und Juden sollten die Kehlen aufgeschlitzt werden. Solange in Amerika Moslems in Gefängnissen einsitzen, müssen wir die Amerikaner bekämpfen. Die ganze Welt sollte unter islamischer Flagge sein. Deshalb müssen wir den Dschihad betreiben", predigte er. Der Imam al-Fazazi soll großen Einfluss auf die Gruppe um Mohammed Atta ausgeübt haben, davon sind die deutschen Behörden überzeugt. Al-Fazazi wurde in Spanien zu 30 Jahren Haft verurteilt, weil er 2003 Anschläge auf jüdische Einrichtungen in Casablanca geplant hatte.

Mohammed Atta lenkte am 11. September 2001 eine Boeing 767 in den Nordturm des World Trade Centers in New York. Marwan al-Shehhi raste mit einer anderen Passagiermaschine in den Südturm. Ziad Jarrah saß im Cockpit einer Boing, die bei Pittsburgh abstürzte und vermutlich auf dem Weg nach Washington war. Der Ägypter Atta, der an der TU Harburg Städtebau studierte. Al-Shehhi, der aus den Vereinigten Arabischen Emiraten stammte. Und der Libanese Jarrah, der mit Atta in einer Wohngemeinschaft in der Harburger Marienstraße 54 wohnte. Sie alle verkehrten in der Al-Kuds-Moschee in St. Georg. Sie wohnten, als ganz normale Studenten getarnt, in der Hansestadt. Und sie verschwanden zwischendurch in islamistischen Terrorcamps.

Es gibt Bilder einer Hochzeitsgesellschaft in der Al-Kuds-Moschee. Darauf sind sowohl die Attentäter des 11. September zu sehen als auch ihre mutmaßlichen Komplizen. Bei der Hochzeit ist aber nicht von Liebe die Rede: Kampflieder werden gesungen. Gesänge, die zum Dschihad aufrufen.

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Auch der Syrer Mamoun Darkazanli gehörte zu dem Kreis um Mohammed Atta. Darkazanli soll das Terror-Netzwerk al-Quaida finanziell unterstützt haben. Ermittler hatten Erkenntnisse, dass er für Osama bin Laden den Kauf eines Schiffes abgewickelt hat und als dessen ständiger Vertreter in Deutschland fungiert hat. Er soll al-Quaida auch bei den Anschlägen auf die Madrider Züge unterstützt haben. Seiner Auslieferung nach Spanien entging er durch eine Verfassungsbeschwerde. Seitdem lebt er unbehelligt von den Behörden auf der Uhlenhorst.

Darkazanli war es auch, der nach den Anschlägen 2001 eine große Rolle in der Al-Kuds-Moschee spielte. Manfred Murck, Vize-Chef des Hamburger Verfassungsschutzes, bezeichnet ihn als "Elderstatesman des Dschihad". Seit einigen Monaten war Darkazanli ehrenamtlich als Imam in der Moschee tätig. Er leitete das Freitagsgebet, die Hamburger Behörden sehen in ihm einen "Hassprediger". Einen Hassprediger, der allerdings seine Rechte kennt und weiß, wann er Probleme mit den Behörden bekommt. Wenn er zum Beispiel davon predigt, dass Allah die Ungläubigen vernichtet, ist er auf der sicheren Seite, weil er selbst seine Schäfchen nicht anstiftet. Ein Gehalt bekommt Darkanzanli nach Angaben des Verfassungsschutzes nicht. Er lebt von Transferleistungen des deutschen Staates.

Die Moschee wurde nach den Anschlägen 2001 zu einer Pilgerstätte für junge Dschihadisten. "Weil sie den Nimbus der Attentäter hatte", sagt Murck. Zu den Freitagsgebeten kamen bis zu 250 Gläubige. Zu Hause brüsteten sich die Dschihad-Touristen damit, dass sie in der Moschee gewesen seien, in der schon die Attentäter des 11. September gebetet hätten. Der Verfassungsschutz beobachtete, wie "Personen aus den Staaten des ehemaligen Jugoslawien, aus Tschetschenien und aus dem Nahen und Mittleren Osten" in die Moschee kamen und von Hamburg aus in den Heiligen Krieg zogen. 2003 versuchte eine Gruppe aus der Al-Kuds-Moschee, sich einem Terror-Netzwerk im Irak anzuschließen, in Syrien wurden die Dschihadisten jedoch festgenommen.

Vor allem auf junge Konvertiten hatten es die Hassprediger aus St. Georg abgesehen. Im März 2009 reiste wieder eine Gruppe aus Hamburg in ein Ausbildungscamp der Dschihadisten in Pakistan. Zu der sogenannten "Hamburger Reisegruppe" gehörten elf Männer, die meisten von ihnen haben die deutsche Staatsbürgerschaft. Rami M., der mutmaßliche Anführer der Gruppe, wurde im Juni dieses Jahres im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet festgenommen, als er versuchte, sich in Frauenkleidern zu tarnen. Andere Mitglieder seiner Gruppe befinden sich bereits im Kampf. Im Kampf auch gegen Deutschland.

Wie konnte die Al-Kuds-Moschee zu einem Islamisten-Zentrum werden? Norbert Müller, Vorstandsmitglied der Schura - dem Rat der islamischen Gemeinden in Hamburg - macht das Führungschaos im Trägerverein der Moschee dafür verantwortlich. "Wir von der Schura haben immer wieder versucht, die Zustände zu ändern. Aber geeignete Personen in der Al-Kuds-Moschee fehlten." Der Trägerverein der Kuds-Moschee war nicht Mitglied der Schura. Islamisten hätten die Strukturen zu ihren Gunsten ausgenutzt. "Die dschihadistische Szene hat sich dort gesammelt, diese Moschee war innerhalb der islamischen Community weitgehend isoliert", sagt Müller dem Abendblatt. Hinzu kam der Anspruch des Trägervereins, den einzig wahren Islam zu vertreten und andere Moscheen zu verunglimpfen, so Müller. Dennoch sieht er das Verbot des Vereins kritisch. "Jetzt ist eher zu befürchten, dass solche gefährlichen Zirkel nach der Schließung in andere Moscheen einsickern."