Gemeinde in Finanznot

Dunkle Wolken über der Fischbeker Cornelius-Kirche

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Sabine Lepél
Cornelis-Kirche in Neugraben und Pastor Gerhard Janke

Cornelis-Kirche in Neugraben und Pastor Gerhard Janke

Foto: Sabine Lepél / HA

Finanzkrise erfordert Entlassungen und Angebots-Streichungen – Die Kirchengemeinde ist massiv geschrumpft

Fischbek.  Dunkle Wolken über der Cornelius-Kirchengemeinde in Fischbek: Sie steckt in einer tiefen Finanzkrise und muss jetzt schnellstens die Reißleine ziehen. Entlassungen und Streichungen im Angebot vor allem für Kinder und Jugendliche sind die Folge.

Gerhard Janke ist seit 35 Jahren Pastor der evangelisch-lutherischen Cornelius-Kirchengemeinde in Fischbek. In eineinhalb Jahren geht er in den Ruhestand. Und nun, so kurz vor dem beruflichen Ausstieg, sieht er sein Lebenswerk gefährdet. Denn seine Gemeinde steckt in einer tiefen Finanzkrise. Jetzt wollen der Pastor und der Kirchengemeinderat über die prekäre Lage informieren, die Entlassungen und Streichungen im Angebot vor allem für Familien zur Folge haben wird.

Pastor will Mitgliedern die Situation erläutern

Am Freitagabend, 16. September, lädt der Kirchengemeinderat ab 19 Uhr zu einer Gemeindeversammlung, bei der den Mitgliedern die Situation erläutert wird und ihre Fragen beantwortet werden sollen. Es wird ein schwerer Gang für Pastor Janke. „Es ist nicht schön, sich in Richtung Ruhestand zu bewegen mit dem Gefühl, hier geht alles den Bach runter“, sagt Janke. Nach mir die Sintflut – diese Einstellung liegt dem 64-Jährigen fern: „Ich werde bis zum letzten Tag im Dienst meine Arbeit machen und sehe es als meinen vordringlichsten Auftrag an, für die Zukunft der Gemeinde einzustehen.“

Die Situation ist ernst: Im Sommer hatte die Nordkirche der evangelisch-lutherischen Gemeinde an der Dritten Meile einen Blauen Brief geschrieben und mit Blick auf die desolate Finanzlage der Fischbeker Kirchengemeinschaft dringend Lösungen angemahnt. Die Cornelius-Kirchengemeinde arbeitet nach Aussage von Pastor Janke seit mindestens zehn Jahren defizitär – allerdings konnte das Defizit bis zu einem bestimmten Zeitpunkt noch aus einem eigenen Vermögen „in Höhe von mehreren 100.000 Euro“ ausgeglichen werden, so Janke. Dies funktioniert nun nicht mehr. Die Schere zwischen den Einnahmen und den Ausgaben geht immer weiter auseinander. Die Reißleine muss gezogen werden.

Der Haushalt des vergangenen Jahres weist ein Defizit von 67.000 Euro auf, für die kommenden Jahre wird mit einem Defizit in Höhe von 80.000 Euro gerechnet – wobei dabei noch nicht einmal die explodierenden Energiekosten berücksichtigt wurden.

Angebote der Kinderbetreuung wie Kinderspielkreis und Mini-Club werden aufgegeben

Die Finanzkrise hat nun Konsequenzen: Angebote der Kinderbetreuung wie der Kinderspielkreis und der Mini-Club werden aufgegeben, die beiden Leiterinnen müssen entlassen werden. Auch die halbe Diakonie-Stelle für Jugendarbeit wird nach der Kündigung der aktuellen Mitarbeiterin nicht wieder besetzt. Und auch die mit 15 Wochenstunden besetzte Stelle des Popularkirchenmusikers wird gestrichen. „Es tut uns sehr leid, dass wir uns von den Mitarbeitern trennen müssen“, so Pastor Janke. „Sie haben sehr wertvolle Arbeit für unsere Gemeinde geleistet, aber wir können uns diese Angebote leider nicht mehr leisten.“

Wie konnte es so weit kommen? „Hauptgrund ist der Mitgliederschwund“, sagt Gerhard Janke. In den vergangenen Jahrzehnten ist die Kirchengemeinde sukzessive um mehr als die Hälfte geschrumpft. Vor 40 Jahren hatte sie noch 6000 Mitglieder, aktuell sind es 2800 – trotz des Zuzugs neuer Anwohner, vor allem in das Neubaugebiet Fischbeker Heidbrook. „Wir haben auf die Neubaugebiete gehofft, um den Mitgliederschwund zu bremsen. Aber diese Erwartungen haben sich leider nicht erfüllt“, sagt Pastor Janke. In der Hoffnung, dass neue Gemeindemitglieder gewonnen werden können, hat die Gemeinde in den vergangenen Jahren richtig Gas gegeben: „Wir wollten hier eine lebhafte Gemeinde bieten und haben die Ansicht vertreten, dass die Kirchensteuermittel auch für den Verbrauch gedacht sind“, so Janke.

„So lange halten wir nicht mehr durch“

„Das fanden wir richtig so. Wir wollten, dass die neuen Bewohner eine Kirchengemeinde vorfinden, in der es richtig brummt“, sagt Janke und kommt zu der Erkenntnis: „Wir haben massiv über unsere Verhältnisse gelebt.“ Die Verantwortlichen hätten gehofft, „dass unsere Mittel acht bis zehn Jahre länger halten“, so Janke. So lange, bis das große Neubaugebiet Fischbeker Reethen fertig gewesen wäre und die Mitgliederzahlen hoffentlich wieder nach oben gegangen wären. „Aber so lange halten wir nicht mehr durch“, sagt Janke. „Dort ist ja noch nicht einmal der Kanal angelegt.“

Die Kirchengemeinde muss eine Lösung für das Finanzdilemma finden, sonst droht im schlimmsten Fall die Schließung. Es finden sich schließlich überall Beispiele dafür, dass kirchliche Standorte aufgegeben werden müssen. Das Cornelius-Ensemble mit Gemeindehaus, Pfarrhaus und Kirche wurde 1964 zunächst als weiterer Standort der Michaelis-Kirchengemeinde in Neugraben fertiggestellt, ab 1966 wurden die Fischbeker als Cornelius-Kirchengemeinde selbstständig.

Die Kirchengemeinden haben in der Nordkirche eine relativ große Selbstständigkeit, verfügen über eigenes Geld und über einen eigenen Haushalt – aber sie müssen ihren Laden in Ordnung halten. Wenn eine Kirchengemeinde finanziell an die Wand rauscht, schaltet sich der Kirchenkreis ein und könnte sogar übernehmen – das Instrumentarium dafür ist vorhanden.

„Die Mitglieder sterben uns weg.“

„Wir wollen unsere Hausaufgaben selbst machen“, so Janke. „Wir können es besser machen als Außenstehende und müssen diesen schwierigen Weg jetzt gehen.“ Er habe wegen der bevorstehenden Gespräche über Entlassungen und Angebotsstreichungen viele schlaflose Nächte gehabt. Die Enttäuschung darüber sei groß. Auch habe er viel über die Zukunft seiner Kirchengemeinde gegrübelt.

Inzwischen sieht Janke einen Weg: „Wir müssen miteinander kleiner und bescheidener werden, um zu gesunden.“ Es stehe ein teils schmerzhafter Veränderungsprozess an, mit dem die Cornelius-Kirchengemeinde aber nur etwas früher dran sei als andere Gemeinden, so der Pastor: „Auch in anderen Kirchengemeinden wird es so kommen.“ Schuld seien neben dem gesellschaftlichen Wandel zum Teil auch die kirchlichen Skandale, aber vor allem die Demografie: „Die Mitglieder sterben uns weg.“ Zwar sei der Anteil der evangelisch-lutherischen Christen mit rund 40 Prozent immer noch sehr hoch. „Aber viele Leute haben keine Verbindung mehr zur Kirche“, so Janke. Dabei sei es besonders in Krisenzeiten wichtig, dass es „diesen spirituellen Ort in Fischbek gibt. Ich hoffe, dass wird noch viele, viele Jahrzehnte so sein“.

Stelle von Gerhard Janke wird nach seinem Ausscheiden nicht wieder besetzt

Die Stelle von Gerhard Janke, inzwischen einziger Pastor der Kirchengemeinde, wird nach seinem Ausscheiden nicht wieder besetzt. Die Kirchengemeinden in Süderelbe bereiten sich darauf vor: Sie werden einen sogenannten Pfarrsprengel bilden, in dem sich sieben kirchliche Gemeinschaften – Neuenfelde, Finkenwerder, Moorburg, Fischbek, Neugraben, Hausbruch und die Kirche Altenwerder – sechs Pfarrstellen teilen. Ähnliche Modelle kann sich Janke auch für andere Felder der Gemeindearbeit vorstellen: „Die Kooperationen bestehen längst“, sagt er. Trotzdem sei es ein schwieriger Prozess, wenn immer weniger Leute die gleiche Arbeit leisten sollen.

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