Heimfeld/Rissen

Harburger Künstler schickt bunten Unimog auf die Reise

| Lesedauer: 4 Minuten
Lutz Kastendieck

Gerrit Fischer, bekannt als „Brozilla“, bemalte einen Unimog des ASB. In Gambia wird das Gefährt künftig als rollende Zahnarztpraxis eingesezt. Fischer will selbst hinfahren

Heimfeld/Rissen.  Anfang November erhielt Gerrit Fischer ungewöhnliche Post. In einer Mail wurde der Harburger Urban-Art-Künstler – besser bekannt unter seinem Pseudonym „Brozilla“ – gebeten, einen ausgemusterten Unimog der Bundeswehr von seinem „Tarnkleid“ zu befreien. Das hat er am 5. Dezember, dem Internationalen Tag des Ehrenamtes, auch gemacht. Und ist damit Teil eines Abenteuers geworden, das zwei andere Hamburger Mitte März nächsten Jahres 7500 Kilometer weit bis nach Gambia führen wird.

„Als die Bitte an mich herangetragen wurde, habe ich keinen Augenblick gezögert“, sagt der 37-Jährige: „Als Pazifist bin ich schnell dafür zu begeistern, ein Kriegsgerät in ein Fahrzeug zu verwandeln, das Menschen hilft. Wenn es ginge, würde ich das jeden Tag tun.“

Der Unimog soll mit Fischers Unterstützung schon bald seine zweite Karriere starten. Und zwar als rollende Zahnarztpraxis der ASB-Klinik in Serekunda, westlich der gambischen Hauptstadt Banjul. So fuhr Fischer also Anfang der Woche in eine Rissener Dependance des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB), um dort dem knuffigen 7,5-Tonner einen neuen Anstrich zu verpassen. Denn nur so kann das Hamburger Team der Charity Rallye 2017 des Vereins „Drive to Help“ ihr Gefährt ausführen. Und innerhalb von drei Wochen durch sieben Länder, zwei Kontinente und die Sahara bis an die Westküste Afrikas bringen.

„Leichter wäre es ja gewesen, die Kiste einfach zu verschiffen. Nur leider passt sie in keinen genormten Container. Und das hätte die Frachtkosten um ein Vielfaches teurer gemacht“, erklärt Michael Berg. Der 49 Jahre alte Exportkaufmann aus Wedel hat sich deshalb bereiterklärt, den Unimog auf dem Landweg nach Gambia zu fahren: „Ist doch ein faszinierendes Projekt. Und allemal besser, als irgendwo sinnlos am Strand zu liegen.“

So sieht es auch seine Co-Pilotin Inke Maleen Beese. Sie ist Freiwilligen-Koordinatorin beim ASB-Ortsverband Hamburg-Mitte und auch ehrenamtliche Projektkoordinatorin für die Gambia-Hilfe. „Ich war bereits 2004 das erste Mal in Serekunda und 2014, während der Ebola-Krise noch einmal. Das waren prägende Erfahrungen für mich, die manch Ärger und Verdruss im reichen Deutschland deutlich relativiert haben“, sagt die 32 Jahre alte Speditionskauffrau.

Seit Jahren mangele es in dem kleinen Land am Fluss Gambia nicht nur an ausreichend Lebensmitteln, sondern auch an einer adäquaten medizinischen Versorgung. „Armut und Hoffnungslosigkeit sind groß dort. Aus diesem Grund begeben sich in jedem Jahr auch viele Gambier auf den lebensgefährlichen Weg durch die Wüste und übers Mittelmeer. Und viele kommen dabei um“, so Beese. Angesicht des wachsenden Flüchtlingsstroms entschloss sich der in Waldkirch nahe Freiburg im Breisgau ansässige Verein „Drive to Help“ Anfang des Jahres die zweite Spendenfahrt nach 2014 zur ASB Health Clinic in Serekunda zu organisieren. „Steigende Preise für Elektrizität, Medikamente und Wasser haben die Finanzierung der Klinik deutlich erschwert“, sagt der erste Vorsitzende Alexander Gössel.

Aus diesem Grund wurden im Vorfeld in ganz Deutschland Fahrzeuge akquiriert, die dann in Gambia zugunsten der Klinik verkauft werden. Auf dem Weg nach Afrika sind sie mit zahlreichen Hilfsgütern wie Medikamenten, Verbandszeug und nützlichen Sachspenden bepackt. Bei der ersten Charity Rallye 2014 konnten Spenden im Gesamtwert von rund 36.000 Euro an den ASB Gambia übergeben werden.

„Ich finde dieses Projekt großartig“, sagt der Heimfelder „Brozilla“. Es zeige eindrucksvoll, dass Helfen „keine Einbahnstraße“ sein muss. Mit der Spendenfahrt „Drive to Help“ werde eine karitative Aktion mit Abenteuerlust verbunden, mit der Suche nach neuen Erfahrungen jenseits des zumeist wohlgeordneten und behüteten Alltags in Deutschland: „Deshalb war es mir ein inneres Bedürfnis, mit meiner künstlerischen Arbeit etwas zum Gelingen dieses Projekts beizutragen.“

Mit der Arbeit Fischers hat das Hamburger ASB-Rallyeteam nicht nur rund 5000 Euro an Lackierungskosten gespart. Dank seines neuen Anstrichs wird der Unimog nun als rollendes Kunstwerk unterwegs sein – und als lebendige Werbung für Solidarität und Mitmenschlichkeit. Brozilla selbst wird den Tross bei seiner Ankunft in Gambia in Empfang nehmen und die Fassade der Health-Klinik verschönern. Passend zum Unimog.

Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Harburg