Mehr als 60 Hektoliter Bier gingen allein am Freitagabend über die Tresen. Wie viele Getränke insgesamt an allen drei Festivaltagen verkauft werden konnten? Wutzrock-Sprecherin Sabine Vielhaben muss passen. „Wir waren im Stress, haben immer wieder nachgeholt. Manchmal gab es auch Engpässe“, sagt sie. Mitveranstalter Hans-Jörg Gerken bestätigt: „Sogar unser Getränkelieferant warf zeitweilig das Handtuch. Dann sind wir in die benachbarten Supermärkte ausgeschwärmt, um Nachschub zu holen.“ Da sich das Festival über den Getränkeverkauf finanziert, sind das mal richtig gute Nachrichten. „Wenn das jedes Jahr so liefe, könnten wir den Bands anständige Gagen bezahlen“, sagt Vielhaben und lacht.
Doch die Musiker zieht vor allem der Kult zum Eichbaumsee. „Umsonst und draußen – so etwas sollte es in Berlin auch mal geben. Respekt, Bergedorf!“, schwärmte Kiki Sauer, Sängerin der „17 Hippies“. Die Lokalmatadoren „The Knights“ holten ihren Auftritt vom vergangenen Jahr nach, als ein heftiges Gewitter sie buchstäblich von der Bühne gefegt hatte. „Es ist immer wieder ein Heimspiel. Wir sind mit Wutzrock aufgewachsen“, sagte Gitarrist Lennart Plutat. „Tito und Tarantula“ zogen zum Abschluss am späten Sonntagnachmittag schließlich noch einmal tanzende Massen vor die Hauptbühne („Elb-Bühne“). Aber auch bei Bands wie „I-Fire“ oder die Reggae-Crossover-Band „Ratatöska“ gingen die Fans ausgelassen mit und es „brannte die Luft“.
Nicht nur musikalisch, auch politisch bezieht Wutzrock Stellung: konsequent „gegen Rechts“. Zudem wurde Vereinigungen wie der Meeresschutz-Organisation „Sea Shepherd“ Gelegenheit geboten, an Info-Ständen über ihre Arbeit aufzuklären. „Free Pussy Riot!“, hallte es immer wieder von den Bühnen: Solidarität mit den russischen Punk-Rockerinnen, die am Freitag wegen einer Protestaktion gegen Präsident Wladimir Putin zu je zwei Jahren Haft verurteilt worden waren. Diese Mischung aus Spaß und Ernst zieht auch jedes Jahr Judith Gerstendorf von Köln nach Hamburg. Sie hofft, das ihrem Sohn weitergeben zu können: „Leonard ist fünf und das sechste Jahr dabei“, scherzt sie.
Auch er konnte sich wie alle anderen Kinder bei Wutzrock austoben und Spaß haben: etwa beim Tanzen, Schlammglitschen, Rollrutsche fahren oder sich schminken lassen. Wutzrock: Das ist eben eine Familienangelegenheit, zieht die älteren Fans ebenso an, wie die jungen. Doch, es ginge gar nichts ohne sie: Mehr als 150 freiwillige Helfer sind hinter den Kulissen aktiv, halten Wutzrock am Laufen. „Wir haben hier immer eine tolle Zeit gehabt. Mit unserer freiwilligen Hilfe wollen wir etwas zurückgeben“, sagt Felix Höger, für den das Helfen bei Wutzrock seit Jahren selbstverständlich ist.
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