Kinder- und Jugendhilfe

Bezirksamt will "Blaue Welle" einsparen

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Anne K. Strickstrock

Bergedorf. Das von der DRK betriebene Spielhaus "Blaue Welle" in Neuallermöhe soll geschlossen werden. Das sickerte vorab aus dem Bezirksamt durch. Mit weiteren Einsparungen bei anderen Einrichtungen will die Bergedorfer Kinder- und Jugendhilfe fast 265.000 Euro sparen.

Sie haben im Bezirksamt rauf und runter gerechnet: Wenn das DRK-Spielhaus „Blaue Welle“ in Neuallermöhe geschlossen wird und andere Einrichtungen ein bisschen ausdünnen, würden in der Bergedorfer Kinder- und Jugendhilfe 264.413 Euro gespart werden können. Bliebe ein ungedeckter Betrag von 24.487 Euro – wenn Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) im Herbst tatsächlich, also auch gegen den Willen vieler Genossen, zehn Prozent der Zuweisungen kürzen will.

„Wir wollten mit unseren Kürzungsvorschlägen eigentlich noch nicht an die Öffentlichkeit, das war ein peinliches Büro-Versehen. Zunächst werden wir im Oktober einen Jugendhilfeplan vorlegen“, müht sich Bezirksamtsleiter Arne Dornquast (SPD) den vorauseilenden Gehorsam zu mildern.

Dennoch wollen einige Mütter aus der „Blauen Welle“ am Dienstag bei der Sitzung des Jugendhilfe-Ausschusses protestieren: „Ein Spielhaus ist viel flexibler und familiärer als eine Kita“, sagen sie – und sprechen damit auch für weitere fünf Spielhäuser im Bezirk.

Schuss vor den Bug der „Blauen Welle“ – Doch das Bezirksamt rudert noch schnell zurück

Das Bezirksamt hat sich in die Karten gucken lassen und allen Mitgliedern des Bergedorfer Jugendhilfe-Ausschusses seine Vorschläge geschickt, um die erwarteten Kürzungen in der offenen Kinder- und Jugendarbeit umzusetzen. Aber nach nur zwei Tagen ruderte Bezirksamtsleiter Arne Dornquast eilig zurück: „Das wollten wir noch gar nicht diskutieren.“

Zu spät: Dem Vorschlag nach soll zum Jahresende das DRK-Spielhaus „Blaue Welle“ am Wilhelm-Osterhold-Stieg 23 schließen, die Zuwendung von jährlich 111.213 Euro wegfallen. Im vergangenen Jahr wurden in dem Spielhaus 12.500 Kinder begrüßt, um gemeinsam zu basteln, zu singen oder auf dem großen „Wasserspielplatz“ zu buddeln.

Begründet wird der Sparvorschlag mit der Tatsache dass es in Neuallermöhe 17 Einrichtungen zur Kindertagesbetreuung gibt, zudem ein Kinder- und Familienhilfezentrum. Das wiederum soll – ebenso wie das KiFaz in Lohbrügge – eine Personalstelle einbüßen, also mit 39.100 Euro weniger auskommen.

Dass die einzig komplette Schließung das DRK-Spielhaus trifft und nicht das der Awo am Kiebitzdeich, liegt daran, dass die Awo in Lohbrügge ausdünnen muss: Das „Mobilo“ am Kurt-Adams-Platz soll künftig tatsächlich nur noch mobil unterwegs sein, die zweite Personalstelle soll halbiert werden (spart 25.000 Euro ein) und künftig beim Jungentreff am Billebogen eingesetzt werden.

Weitere Einsparungen betreffen das Soziale Zentrum in Lohbrügge (7000 Euro), die Familienhilfe „Kernkontor“ an der Bergedorfer Straße (26.760 Euro) und das Mobelan-Projekt in den Vier- und Marschlanden (5840 Euro). Nicht zuletzt sollen 49.500 Euro beim Posten „Bewirtschaftung und Honorare“ eingespart werden. Hier sind vorwiegend kommunale Einrichtungen (zum Beispiel die Jugendhäuser und vier Spielhäuser) gemeint, die eine „Veränderung von Reinigungs- und Renovierungsintervallen“ umsetzen sollen (also selber putzen und streichen), zudem auf manche Angebote für Kinder und Jugendliche verzichten müssen.

Leitung und Eltern wollen gegen Schließung protestieren

Die geplante Schließung der „Blauen Welle“ sei ein „herber Schlag, wenn auch denkbar gut argumentiert und wenig angreifbar“, meint sogar die Leiterin Mareike Wiedenhöft (25). Dennoch will die Erzieherin am Dienstag im Jugendhilfe-Ausschuss (beginnt um 17.30 Uhr an der Holzhude 1) protestieren: „Bis zu 30 Kinder zwischen drei und sechs Jahren kommen mit ihren Eltern jeden Vormittag zu uns.“

„Wir sind gern und oft hier“, sagt Vitali Gerdt mit Sohn Viktor (2). „Mein 14 Monate alter David braucht soziale Kontakte“, meint Alla Wagner. „Hier ist alles familiär und unbürokratisch“, schwärmt Corinna Schell, die mit Nella (2) extra aus Ochsenwerder kommt. Und Paulina Spiewak lobt vor allem das Ferienangebot für ihre beiden Söhne (11 und 2 Jahre).

Nur ein Fünkchen Hoffnung bleibt den Eltern, ihr Spielhaus zu erhalten – die Kürzung hätte nicht veröffentlicht werden sollen: „Das war ein peinliches Büro-Versehen. Die Mitteilung hat irrtümlicherweise das Rathaus verlassen“, windet sich Arne Dornquast (SPD), der sich just eine Woche zuvor mit anderen Bezirksamtsleitern und dem Staatsrat der Sozialbehörde darauf verständigt hatte, bis Oktober zunächst einen Jugendhilfeplan auszuarbeiten. Auf dessen Grundlage erst solle endgültig entschieden werden. Dornquast: „Bleibt abzuwarten, ob wir dann andere Erkenntnisse haben.“

Bis dahin könnte sich auch ein neues Einspar-Volumen ergeben: Das Mütterzentrum am Reetwerder bekommt jährlich 26.800 Euro, um die Miete zu bezahlen. „Das könnte doch ins Lichtwarkhaus umziehen, wo wir ein Community-Zentrum ansiedeln wollen“, schlägt Sozialraummanager Sven Dahlgaard vor.

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