Medizin

Raucherhusten wird Volkskrankheit

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Christine Stanke

Bergedorf. Jeder Atemzug kostet Ingo Meyer (70, Name geändert) unendlich viel Kraft. Scheinbar ist er nur erkältet. Doch er kann sich nicht mehr anziehen, geschweige denn das Haus verlassen: Seine Lunge pfeift, die Luft bleibt weg.

Immer mehr langjährige Raucher liegen auf der Intensivstation - auch im Bethesda AK Bergedorf.

Als der Notarzt kommt, ist der Bergedorfer kurz vorm Ersticken: Der langjährige Raucher leidet unter der Lungenerkrankung COPD, auch chronische Bronchitis genannt.

"Das ist eine Krankheit, die vorwiegend Raucher trifft", sagt Prof. Tammo von Schrenck, Chef der Inneren Medizin am "Bethesda Allgemeines Krankenhaus Bergedorf". Ihre Lunge sei durch das Rauchen bereits stark geschädigt. Ein grippaler Infekt genüge dann, dass sie dauerhaft beatmet werden müssen und sie kein normales Leben mehr führen können. "Die Fälle nehmen zu, inzwischen hat sich COPD zu einer regelrechten Volkskrankheit entwickelt", sagt von Schrenck.

Tatsächlich liegen im BAKB fast ständig COPD-Patienten auf der Intensivstation, einer von ihnen ist Ingo Meyer. "Noch können wir alle Patienten ausreichend versorgen, es gibt genügend Beatmungsplätze", versichert Tanja Knolinski, Leiterin der Intensivstation. Im Bethesda-Krankenhaus stehen zehn Intensivbetten, davon acht Beatmungsbetten zur Verfügung. Allerdings ist die Zahl der COPD-Fälle dramatisch hoch: Zehn bis 15 Prozent der Bevölkerung sind in ganz Europa davon betroffen. Die durch die Krankheit verursachten Kosten, unter anderem durch Arbeitsunfähigkeitstage, betragen in Deutschland fünf bis zehn Milliarden Euro. Doch es soll noch dramatischer werden: Laut Weltgesundheitsorganisation WHO wird die Erkrankung im Jahr 2020 weltweit die dritthäufigste Todesursache sein.

"Wir reagieren auf diese Entwicklung", sagen Tammo von Schrenck und Tanja Knolinski. Unter anderem seien für je 15 000 Euro Beatmungsgeräte angeschafft worden, die den Patienten per Maske auch außerhalb der Intensivbetten mit Sauerstoff versorgen können. Das ist für Menschen wie Ingo Meyer lebensnotwendig: Viele von ihnen haben in Folge der belasteten Lunge und eines schweren Infektes keine Kraft mehr, selbst zu atmen, sind abhängig geworden von Geräten. "Diese Menschen brauchen 20 bis 40 Prozent ihrer zugeführten Kalorien nur für die Atmung", sagt Tanja Knolinski, die oft vollkommen ausgemergelte Patienten vor sich hat. Im Gegensatz dazu braucht ein Gesunder nur ein bis fünf Prozent seiner Energie für die Atmung.

Ingo Meyer atmet schon seit drei Wochen nicht mehr aus eigener Kraft: Per Luftröhrenschnitt wird ihm über einen Schlauch Sauerstoff zugeführt. Die Kosten für die intensivmedizinische Behandlung belaufen sich auf circa 20 000 Euro.

Manchen gelingt eine Rückkehr in ihr bisheriges Leben, dafür wird meist ein Aufenthalt in einer Rehaklinik notwendig. "Hier werden die Patienten langsam wieder von der Beatmung entwöhnen", erläutert Oberärztin Knolinski, wie zumindest einige ihrer Langzeitpatienten den Weg aus dem Krankenhaus finden.

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