Jubiläum

Kortes in Blankenese: Der Traum von einer Buchhandlung

| Lesedauer: 7 Minuten
Matthias Schmoock
Das Kortes-Team: Doro Kaltenbacher (v. l.), Cathrin Stenzel, Mariam Sappert und Hiltrud Klose.

Das Kortes-Team: Doro Kaltenbacher (v. l.), Cathrin Stenzel, Mariam Sappert und Hiltrud Klose.

Foto: Andreas Laible / Funke Foto Services

Die Buchhandlung wird 100 Jahre alt. Inhaberin Hiltrud Klose hat das gut gehende Geschäft in Hamburg zu einem Kulturtreff gemacht.

Hamburg. Unter normalen Umständen würden Anfang April in der Buchhandlung Kortes die Sektkorken knallen. Inhaberin Hiltrud Klose und ihrem Team fiele mit Sicherheit etwas ein, um stilvoll zu feiern – natürlich unter Einbeziehung möglichst vieler Kunden und Nachbarn. Doch die Corona-Zeit bremst selbst wichtige Jubiläen aus, auch wenn Klose verspricht: „Wir holen das nach, sobald es möglich ist.“

100 Jahre wird das prägnante Ladengeschäft für Lesehungrige in diesem Frühjahr alt, das schon lange auch und gerade ein Kulturtreffpunkt ist. Hier, wo die Elbchaussee ganz schmal zu Ende geht und die Nachbarschaft wirklich so aussieht wie das viel zitierte „Dorf“ Blankenese, weiß man so einiges noch zu schätzen: gedämpfte Ruhe mitten im Großstadttrubel, gut sortierten Lesestoff, zurückhaltendes Personal und ab und zu mal eine besondere Lesung.

Buchhandlung Kortes in Blankenese wird 100

Die Vorgeschichte ist schnell erzählt: Am 1. April 1921 gründete Alfred Kortes in Templin in der Uckermark Buchhandlung samt Verlag und Druckerei, ein Unternehmen, das bis zum Zweiten Weltkrieg sehr erfolgreich war. 1946 flüchtete Kortes nach Blankenese und fing in einem Laden an der Hasenhöhe wieder bei null an. Es war einer von vielen mühevollen Neustarts in der damaligen Zeit, über die heute nur noch wenig gesprochen wird.

Nach dem Umzug und der Erweiterung Anfang der 1970er-Jahre übernahm Rainer Völker das Geschäft an der Elbchaussee und blieb 35 Jahre lang Inhaber. Dann schlug die Stunde der Neu-Blankeneserin Hiltrud Klose. Als die Buchhandlung zum Verkauf stand, bewarb sie sich und wagte nach der für sie etwas überraschenden Zusage mit 52 Jahren den Neustart als Selbstständige. Bereut hat sie die Entscheidung nicht, allerdings hätte sich die gebürtige Ostfriesin nie vorgestellt, wie viel Arbeit es bedeuten würde, den im Dornröschenschlaf schlummernden Laden neu zu beleben – und vor allem am Laufen zu halten.

Klose, mit viel Erzähltalent und hintersinnigem Humor ausgestattet, berichtet von der rumpeligen Anfangszeit. Zugestellt und dunkel sei die Buchhandlung zunächst gewesen, drei Lagen Teppiche lasteten auf dem schönen Holzfußboden. „Wir haben hier das Unterste zu oberst gekehrt.“ Es galt, den Räumen durch mehr Licht, Luft und Platz eine gewisse Transparenz zu geben, um das sinnliche Erleben beim Blättern und Schmökern neu zu vitalisieren. Und das gelang.

Neugestaltung und ein bisschen gute alte Zeit

Fenster wurden frei geräumt, Wände eingerissen – alles so lange, bis quasi ein ganz neuer Bücherhort entstanden war. Ein bisschen gute alte Zeit vermittelt Kortes trotz aller Umbauten aber immer noch – zum Glück. Die vorhangfreien Fenster und die hellen, unterschiedlichen Holzregale wirken nicht so gediegen, wie man es in Blankenese erwarten mag – mehr gemütlicher Seminarraum als cooles Loft eben.

Für die wechselnde Dekoration und die stilvolle Schaufenstergestaltung sei ihre Mitarbeiterin Cathrin Stenzel verantwortlich, hebt Hiltrud Klose hervor, Cathrin Stenzel habe viel Schwung und sei das Herz des Ladens. Sie selbst müsste dann der Kopf sein, aber ein Herz für den täglichen Betrieb hat sie natürlich auch. Das eingespielte Team funktioniert auch bei den abendlichen Lesungen, die in den Zeiten, bevor man von Lockdowns gehört hatte, Blankeneses Kulturleben bereicherten und die nicht selten schnell ausverkauft waren.

Mit Charme und Hartnäckigkeit gelang es Klose dann auch solche Autoren zu angeln, die eher selten und nicht unbedingt gerne im Rampenlicht stehen. Viele zusammengeschobene Stühle, das eine oder andere Glas Wein und anregende Gespräche, bei denen niemand auf die Uhr guckt – auch das geht eben in Blankenese, das an solchen Abenden dann mal ziemlich locker rüberkommt.

Höflich, kompetent, auch etwas distanziert

Höflich, kompetent, auch etwas distanziert. Hiltrud Klose erfüllt genau die Kriterien, die den Erfolg einer Geschäftsfrau im Hamburger Westen ausmachen. „Ich gebe auf Wunsch Anregungen, aber ich erteile keine Ratschläge und diskutiere auch nicht“, erläutert sie in der ihr eigenen präzisen Ausdrucksweise. Buchhändlerin sei sie nämlich und keine Pädagogin. Dass diese Art ankommt, belegt nicht nur die Tatsache, dass die Buchhandlung schon lange erfolgreich arbeitet.

Gerade während der Corona-Pandemie bewährte sich die Bindung an Kundinnen und Kunden täglich aufs Neue. „Auffallend viele Büchergutscheine wurden während der vergangenen Monate gekauft“, berichtet Klose. Ein Stammkunde habe dafür mehrere Hundert Euro ausgegeben – „damit ihr gut durch diese Zeit kommt“. Andere Menschen stellten Blumen und Süßigkeiten vor die Tür – oft mit netten Grüßen, nach dem Motto: „Wir freuen uns schon, wenn hier wieder alles so wie immer ist.“

Für Klatsch und Lästereien ist Klose nicht zu haben

Hiltrud Klose und ihre drei Mitarbeiterinnen kennen nicht nur Hunderte Ladenbesucher namentlich, sondern auch deren literarische Vorlieben. Das ist ein unschätzbares Kapital, um sich ganz individuell auf Menschen einlassen zu können. Für Klatsch und Lästereien ist Klose indes nicht zu haben.

„Ich habe unglaublich nette Kundinnen und Kunden“, versichert sie glaubhaft, „und als Bewohnerin von Blankenese kann ich das auch von meinen alteingesessenen Nachbarinnen und Nachbarn sagen.“ Zu denjenigen, die man gemeinhin etwas despektierlich als Neureiche bezeichnet, die entsprechend auftreten und die es im Stadtteil natürlich auch gibt, möchte sich Klose nicht äußern – „lassen wir das lieber“, sagt sie und schmunzelt kurz.

Faible für Monika Helfer und Christa Wolff

Auf die oft gestellte Frage nach ihrer Lieblingslektüre reagiert Hiltrud Klose recht sperrig, und das mit gutem Grund: „Man darf das nicht mit Empfehlungen verwechseln“, erläutert sie, „denn manches von dem, was mir gefällt, wird nicht allen Kundinnen und Kunden zusagen.“ Schließlich lässt sie sich doch zwei Namen entlocken: „Bei den modernen Autorinnen gefallen mir die Bücher von Monika Helfer ausgezeichnet.

Und was die Klassiker betrifft: Da fällt mir neben Max Frisch vor allen anderen und immer wieder Christa Wolff ein.“ Bei aller Liebe zu ihrer Arbeit ist Klose nun aber doch auf der Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger – und das gar nicht mal so langfristig. Wie stellt sie sich ihr Leben nach den Büchern vor? Viele Reisen oder doch wieder lesen, dann aber nur zum Vergnügen? Die kluge Antwort: „Einfach nur sein.“

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