Hamburg. Über viele Monate hat die Waitzstraße wegen der zahlreichen sogenannten Schaufensterunfälle negative Schlagzeilen gemacht. Nachdem dort, wie berichtet, immer wieder zumeist betagte Autofahrerinnen und -fahrer beim Ein- oder Ausparken versehentlich in Schaufenster gefahren waren, beschloss der Bezirk Altona, die „Waitze“ für rund 150.000 Euro mit zusätzlichen Vollstahlpollern zu sichern. Sie sollen Autos mit einem Gewicht von bis zu zwei Tonnen aufhalten können. Alle rund 60 Poller waren am Dienstag nach zweiwöchiger Bauzeit eingesetzt, hieß es aus dem Bezirksamt Altona.
Waitzstraße: Pendelbus soll Senioren Alternative zum Auto bieten
Damit scheinen die schweren Unfälle künftig zwar Vergangenheit zu sein, ein Grundproblem aber bleibt: Auch in Zukunft werden Seniorinnen und Senioren, die eigentlich nicht mehr fahrtauglich sind, regelmäßig per Auto in die Waitzstraße kommen.
Um sie zu unterstützen und um ihnen eine Alternative zur Anfahrt mit dem eigenen Auto zu bieten, hat die Interessengemeinschaft (IG) Waitzstraße jetzt eine neue Idee entwickelt: einen Pendelbus (Shuttle), der hilfsbedürftige Menschen zu Hause abholt, sie zu Arztterminen oder zum Einkaufen in die Waitzstraße fährt und später auch wieder nach Hause bringt.
Schleichende Vereinsamung vieler Senioren verhindern
„Dank eines solchen Bürgerbusses könnten diese Menschen mobil bleiben, es könnten Unfälle vermieden werden, und vielleicht könnte damit sogar etwas gegen die schleichende Vereinsamung vieler Älterer getan werden“, sagt Andreas Frank von der IG Waitzstraße. Der Plan befindet sich zurzeit noch in der Anfangsphase, aber das Grundkonzept steht. Und: Im Umfeld der „Waitze“ gibt es schon nach kurzem Vorfühlen jede Menge Unterstützung dafür.
Laut Andreas Frank könnte das Ganze so funktionieren: Der Bürgerbus würde die betreffenden Menschen zu Hause abholen und kostenlos zur Waitzstraße oder in die nähere Umgebung fahren. Buchen könnte man ihn ganz unkompliziert per Telefon – im Idealfall würden mehrere Anrufer als Gruppen transportiert werden. Die Fahrten, so hofft Frank, könnten Ehrenamtliche übernehmen, Spenden in Höhe von rund 1000 Euro pro Monat würden das Projekt tragen. Um das Ganze nachhaltig zu gestalten, könnten ein E-Bus oder eine Fahrrad-Rickscha zum Einsatz kommen.
In Niendorf gibt es bereits einen solchen Bus
Einer, der den neuen Bürgerbus sofort nutzen würde, ist Gerd Walter aus Othmarschen. Der 75-Jährige ist zwar selbst noch ungewöhnlich rüstig, muss seine schwer kranke Frau aber regelmäßig zu Arztterminen in die Waitzstraße fahren. „meine Frau ist total auf Hilfe angewiesen, kann nicht alleine ein- und aussteigen und sich nur über kurze Strecken fortbewegen“, sagt Walter.
„Ein solcher Bus wäre eine sehr gute Alternative zum vielen Fahren mit langer Parkplatzsuche.“ Unterstützt wird der Plan bereits jetzt vom Bürgerverein Flottbek-Othmarschen, dessen Vorsitzende, Ute Frank, in der Gegend bereits dafür Werbung macht. Auch einige Geschäftsleute vor Ort wollen mitmachen. „Ich würde sofort für den Bus spenden“, sagt Metzger Dirk Hübenbecker, und meine Kollegen schließen sich bestimmt an.“
FDP Altona zum Bus: "Das ist eine klasse Idee"
Auch die FDP-Bezirksfraktion ist von der Bus-Idee begeistert. „Die Idee ist klasse!", sagte Katarina Blume, Fraktionsvorsitzende der FDP-Fraktion Altona. "Schon mit der Umsetzung des BIDs Waitzstraße haben die lokalen Gewerbetreibenden bewiesen, dass man hier anpacken kann." Die Ideengeber seien stadtteilbekannt und stünden für Durchsetzungsvermögen.
"Da die baulichen Maßnahmen in Form von Pollern keine hundertprozentige Sicherheit bieten können, wäre der Bürgerbus eine gute Ergänzung", so Blume. "Der wichtigste Effekt ist jedoch die Schaffung einer Möglichkeit für Senioren zur Teilhabe am Alltagsleben.
Bürgerbus rollt bereits durch Niendorf
Was viele Hamburger nicht wissen: In Niendorf gibt es bereits einen solchen Bus: den Bürgerbus Hamburg Niendorf (Ost). Dort werden an zwei Tagen pro Woche Seniorinnen und Senioren von einem Kleinbus mit sieben Sitzplätzen von ehrenamtlichen Fahrerinnen und Fahrern unter anderem zum Einkaufen am Tibarg sowie zu Arzt- und auch Friedhofsbesuchen gefahren. Zum Konzept gehört, dass die Fahrten ausdrücklich lokal begrenzt sind. Weitere Touren, zum Beispiel in die Innenstadt oder zum Flughafen, werden nicht mit angeboten.
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Die Trägerschaft für diesen Bus, der jetzt für den Deutschen Nachbarschaftspreis 2020 nominiert wurde, hat der Bürgerverein Hoheluft-Großlokstedt von 1896 e. V. übernommen, die Finanzierung der Leasingkosten erfolgt aus dem bezirklichen Quartiersfonds gemäß Beschluss der Bezirksversammlung Eimsbüttel (weitere Infos unter: http://buergerbus-niendorf-ost.de). Die IG hofft jetzt auf Unterstützung des Bezirksamts, Kontakte dazu sind bereits hergestellt.
Was sich viele, die über die Senioren von der Waitzstraße spotten oder diese kritisieren, nicht vorstellen können: Die meisten von ihnen können sich mit dem Auto deutlich besser fortbewegen als zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Der Gang zur Bushaltestelle oder Bahnstation wird, verbunden mit dem Ein- und Aussteigen als zu mühsam empfunden, hinzukommt aktuell die unterschwellige Angst, sich in öffentlichen Verkehrsmitteln mit Corona zu infizieren. Gerd Walter berichtet, dass er die Alternativen zum Autofahren für sich und seine Ehefrau genau geprüft habe – nichts habe ihn überzeugen können. „Ein Bürgerbus wäre ideal“, so Walter.
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