Hamburg

Neuer HSH-Prozess: Ex-Chefs kaufen sich frei

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Bettina Mittelacher
Der frühere Vorstandschef der HSH Nordbank, Dirk Jens Nonnenmacher, im
Juli 2013 zu Beginn seines Prozesses in Hamburg.

Der frühere Vorstandschef der HSH Nordbank, Dirk Jens Nonnenmacher, im Juli 2013 zu Beginn seines Prozesses in Hamburg.

Foto: picture alliance / dpa

Das Verfahren gegen Dirk Jens Nonnenmacher und weitere frühere Vorstände wird gegen Zahlung von bis zu 1,6 Millionen eingestellt.

Hamburg. Es war einer der meistbeachteten Prozesse der vergangenen Jahre in Deutschland. Und es war eine Premiere, weil erstmals der komplette Vorstand einer Bank angeklagt wurde. Das Verfahren um die HSH Nordbank hat in mehrfacher Hinsicht Justizgeschichte geschrieben. Nun wird der Schlussakt in der nahezu endlosen Story eingeleitet – mit einer überraschende Wende und einem Paukenschlag. Denn gegen fünf der ehemals sechs angeklagten Vorstände, darunter der frühere Vorstandschef Dirk Jens Nonnenmacher, wird das Strafverfahren eingestellt. Dafür müssen die fünf Ex-Manager Zahlungen zwischen 500.000 und 1,6 Millionen Euro leisten.

Wie Gerichtssprecher Kai Wantzen dem Abendblatt auf Anfrage bestätigte, bleibt dem auch als „Dr. No“ bekannten früheren HSH-Vorstandsvorsitzenden Nonnenmacher, dessen Vorgänger auf dem Chefposten, Hans Berger, sowie den damaligen Vorständen Jochen Friedrich, Hartmut Strauß und Bernhard Visker eine Neuauflage des Prozesses dadurch erspart. Einzig Peter Rieck, der sechste angeklagte frühere Bank-Manager, stimmte nach Abendblatt-Informationen bislang nicht einer Einstellung gegen Geldauflage zu. Bleibt er dabei, wird allein gegen ihn am 16. August der neue Prozess beginnen.

Die sechs Vorstände waren wegen schwerer Untreue angeklagt, Nonnenmacher und Friedrich darüber hinaus wegen Bilanzfälschung. Im Prozess ging es in erster Linie um die milliardenschwere Transaktion „Omega 55“, mit der die HSH-Führung Ende 2007 für einen geplanten Börsengang versucht hatte, Risiken auszulagern und so die Eigenkapitalquote der Bank zu verbessern.

Allein die Anklage ist rund 600 Seiten lang

Binnen kürzester Zeit – und laut Anklage ohne ausreichende Prüfung - war „Omega 55“ damals von den Vorständen abgezeichnet worden und hatte laut Ermittlungen dem Geldhaus 158 Millionen Euro Verlust eingebrockt. Nach einem Aufsehen erregenden Prozess endete die Hauptverhandlung im Juli 2014 mit einem Freispruch. Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) jedoch diese Entscheidung kassierte, hätte eigentlich gegen alle Angeklagten erneut verhandelt werden müssen.

Dies wird nun durch die Einstellung der Verfahren gegen Geldauflagen weitestgehend nicht mehr möglich sein. Allein Nonnenmacher muss 1,5 Millionen Euro zahlen, Berger 750.000 Euro, Friedrich 1,6 Millionen, Strauß und Visker jeweils eine halbe Million Euro. Rieck war eine Einstellung gegen 1,5 Millionen Euro angeboten worden.

„Die Beträge spiegeln das den Angeklagten vorgeworfene Maß der Verantwortung wider“ und seien zugleich so bemessen, dass sie für die Beschuldigten „deutlich spürbar sind und sich an ihren wirtschaftlichen Verhältnissen orientieren“, erläuterte Gerichtssprecher Wanzten. Sprich: Wer ein höheres Einkommen hat, muss auch mehr bezahlen, damit die Auflagen alle gleichermaßen hart treffen. Grundlage für die Einstellung gegen Geldauflage ist Paragraf 153 a der Strafprozessordnung, der diese Möglichkeit bei Vergehen eröffnet, „wenn die Auflage ausreichend ist, dem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung und der Schuld gerecht zu werden“, so Wantzen. Bevor ein Gericht eine Einstellung beschließt, bedarf es der Zustimmung der Beschuldigten, der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft.

Enormer Aufwand

Die jetzt zuständige Wirtschaftskammer unter Vorsitz von Malte Hansen hat bei Erwägungen für eine Einstellung unter anderem folgende Aspekte benannt: Dem Verfolgungsinteresse, das wegen der vorgeworfenen Transaktionen bestehe, sei durch „die Geldauflage genüge getan“, sagte Wantzen. Zwar sei der vorgeworfene Schaden „beträchtlich“.

Er sei aber „durch zivilrechtliche Schadenswiedergutmachung in nicht unerheblichem Umfang ausgeglichen“. Zudem handele es sich bei den vorgeworfenen Taten um ein „einmaliges Fehlverhalten“ der Verdächtigen. Sie hätten sich darüber hinaus nicht selber bereichert, sie sind nicht vorbestraft, und die ihnen vorgeworfene Untreue liegt bereits zehn Jahre zurück.

Der Reiz für die Angeklagten, lieber viel Geld zu bezahlen, als sich erneut vor Gericht verantworten zu müssen, liegt sicherlich in dem enormen Aufwand, den so ein Prozess bedeuten würde. Das erste Verfahren hatte fast ein Jahr beziehungsweise 62 Hauptverhandlungstage gedauert. Die Materie gilt als extrem aufwendig, allein die Anklageschrift umfasst rund 600 Seiten. Hinzu kommen mehr als 330 Ordner mit Gerichtsakten. Außerdem müssen sich die Verfahrensbeteiligten intensiv mit dem BGH-Urteil auseinandersetzen, das 27 Seiten stark ist. Um die BGH-Vorgaben umzusetzen, hat die Kammer ein weiteres Sachverständigen-Gutachten eingeholt.

Verhandlungstage bis Ende 2020 terminiert

Für einen neuen Prozess waren bereits Termine bis Ende 2020 abgesprochen geworden. Auch für die durch viele Verfahren stark belastete Kammer würde eine Erledigung ohne Prozess eine Entlastung bedeuten. Allerdings hatte der Senatsvorsitzende beim BGH in Leipzig damals schon angedeutet, man könne das Verfahren „auch anders beenden“. „Dieses Verfahren hätte Jahre früher zum Abschluss gebracht werden können, wäre die Anregung des BGH ernst genommen worden“, sagte am Mittwoch Verteidiger Otmar Kury, der Hans Berger vertritt, dem Abendblatt.

In dem ersten Prozess stand für die damals zuständige Wirtschaftskammer zwar fest, dass das Kreislaufgeschäft „sinnlos“ und „nutzlos“ gewesen sei und zum Schaden der Bank. Die Kammer ging von einem Verlust von 40 Millionen Euro aus. Auch hätten die Vorstände ihre Pflichten verletzt, weil das Kreislaufgeschäft ohne ausreichende Prüfung abgeschlossen wurde.

Der angestrebte Aufstieg der Bank sei „Ausfluss der Selbstüberschätzung“ gewesen und die Behauptung, mit Omega 55 die Bilanz zu entlasten, nur „juristischer Augensand“. Allerdings seien die Pflichtverletzungen nicht „offensichtlich“ und nicht so gravierend gewesen, dass sie eine Verurteilung wegen Untreue gerechtfertigt hätten, so das Landgericht. Gegen den Freispruch hatte die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt.

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