Hamburg

Nur noch Ökostrom für den Norden

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Andreas Dey

Regierungen von Hamburg und Schleswig-Holstein haben ehrgeizige Ziele – nicht nur bei der Energie

Hamburg. Der Norden macht bei der Energiewende weiter Druck: Hamburg und Schleswig-Holstein haben sich zu dem Ziel bekannt, ihre Länder „bis 2035 zu 100 Prozent sicher und kostengünstig mit regenerativem Strom zu versorgen“. Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen Sitzung der beiden Landesregierungen am Dienstag im Hamburger Rathaus.

Wie Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagte, könne sich sein Land schon jetzt vollständig mit Ökostrom – vor allem aus Windkraft – versorgen. Was aber fehle, seien die Netze, um den Strom auch in jedem Winkel des Landes – oder eben in Hamburg – verbrauchen zu können. Häufig müssten die Anlagen abgeschaltet werden, weil die Energie nicht abgenommen oder weitertransportiert werden könne. Daher vereinbarten beide Länder eine „gemeinsame Entwicklungsplanung für Stromnetze“. Eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Netzbetreiber 50Hertz und TenneT soll nun Lösungen erarbeiten. Sie knüpft an das 2015 gegründete Projekt „NEW 4.0“ an – es steht für „Norddeutsche Energiewende“.

Wenn die entsprechende Infrastruktur vorhanden wäre, könnte Hamburg auf jeden Fall 2035 komplett regenerativ versorgt werden, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). Dennoch sei das Ziel „ambitioniert“, Günther nannte es „ehrgeizig“. Unter anderem müsse ein Konzept entwickelt werden, wie das veraltete Kohlekraftwerk Wedel, das in einigen Jahren vom Netz genommen werden soll, ersetzt werden könne. Bei allen Fragen gehe es zudem nicht nur darum, dass die Energieerzeugung klimafreundlicher werde, sondern auch, dass sie bezahlbar bleibe, betonte Tschentscher. Auf die Frage, was von 2035 an aus dem riesigen und derzeit noch fast neuen Kohlekraftwerk Moorburg werde, sagte er, das Kraftwerk gehöre Vattenfall, und der schwedische Staatskonzern müsse daher auch entscheiden, wie lange er es betreibe. Der Bürgermeister, der erst am Montag in Malmö zu Besuch war, verwies allerdings darauf, dass Schweden ja auch aus fossiler Energieproduktion aussteigen wolle.

Gemeinsame Kabinettssitzungen von Hamburg und Schleswig-Holstein gibt es seit mehr als 20 Jahren regelmäßig. In dieser Besetzung – Günthers Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen hatte vor einem Jahr Rot-Grün abgelöst und Tschentscher im April die Nachfolge von Olaf Scholz angetreten – war es das erste Treffen. Dabei kamen diverse Themen zur Sprache.

So einigten sich beide Regierungen darauf, das Schlick-Abkommen aus dem Jahr 2016 zu verlängern: Es erlaubt Hamburg, bis zu zehn Tonnen Hafenschlick, der bei der Ausbaggerung der Elbe anfällt, vor Helgoland in die Nordsee zu kippen. Dafür bezahlt Hamburg fünf Euro pro Kubikmeter. Nachdem es um diese Vereinbarung mehrfach Streit gegeben hatte, stellte Günther nun klar, dass dieser beendet sei. Der Hamburger Hafen sei als Arbeitgeber und Umschlagsplatz auch für sein Land von großer Bedeutung, daher gebe es mit Blick auf das Schlick-Abkommen ein klares Signal: „Es wird verlängert.“ Allerdings müsse man sich noch über die genauen Modalitäten – etwa die Schlickmenge – einigen.

Hamburg und Schleswig-Holstein wollen zudem ein gemeinsames Bürgerportal für digitale Verwaltungsdienstleistungen schaffen. Um Behördengänge überflüssig zu machen, sollen über diese Internetplattform alle Dienstleistungen beider Länder zugänglich sein – und das möglichst verständlich, wie Tschentscher betonte: „Online-Services müssen so gestaltet sein, dass sie für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen selbsterklärend sind.“ Daher werde die Sicht der Nutzer im Vordergrund stehen.

Wie berichtet, hat Hamburg bereits begonnen, sein Projekt „Digital first“ umzusetzen. Ob Baugenehmigungen und Ausweise beantragen, einen neuen Wohnsitz, Geburten oder Todesfälle melden oder ein polizeiliches Führungszeugnis anfordern: All das soll von 2022 auch online möglich sein. Das gleiche Ziel verfolge Schleswig-Holstein, sagte Günther: „Das ist eine Riesenchance für alle. Dabei macht es nur Sinn, über Landesgrenzen zusammenzuarbeiten. So können wir gewährleisten, dass wir auch gemeinsam bürgerfreundliche und effiziente Lösungen und Angebote entwickeln.“

Auch im Bereich Raumplanung wollen beide Länder enger zusammenarbeiten. Die „Entwicklung einer gemeinsamen Planungsplattform“ solle noch in diesem Jahr beschlossen werden. Allerdings wurde bei dem Treffen auch deutlich, dass das gemeinsame Interesse eben doch an Ländergrenzen stößt. So erklärte Günther, dass nicht nur Hamburg, sondern auch Schleswig-Holstein wachse und man den Gemeinden im Hamburger Umland mehr Freiheit für den Wohnungsbau, auch Geschosswohnungsbau, geben wolle. Tschentscher verwies hingegen auf die 300.000 Einpendler nach Hamburg und schwärmte, wie viel weniger Verkehr, Lärm und Luftverschmutzung es gäbe, wenn ein Teil dieser Pendler nach Hamburg ziehen würde. Fazit von Günther: „Konkurrenz belebt das Geschäft. Aber Abstimmung ist wichtig.“

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