Hamburg. Im einstmals überaus grünen Sasel wurden sie gebaut. 131 Reihenhäuser samt Garagen in der Bauernvogtkoppel, Kähler- und Schillingkoppel. Zwischen 1957 und 1960 auf der sprichwörtlichen grünen Wiese. Im heute nur noch einigermaßen grünen Sasel ist ein erbitterter Streit entbrannt. Die vier Garagenhöfe in der Siedlung sind schwer umkämpft, seit der Projektentwickler Lorenzen und Fätkenheuer die Grundstücke gekauft hat. Denn die Garagen sollen verschwinden.
Im Kleinkrieg mit dem Investor ignorierten einige Mieter die Kündigung für ihre Garagen und nutzten „Zweitschlüssel“, um nicht draußen bleiben zu müssen. Der neue Eigentümer konterte mit Schweißbrennern und ließ die Tore gründlicher festsetzen, als schwerste Schlösser es könnten. Die Höfe ließ er verpollern, um die Grundstücksgrenze zu markieren, wie es hieß, und die von besitzergreifenden Anwohnern im Laufe langer Jahre eroberten Grundstücksteile würden jetzt zurückgewonnen. So mancher hatte seinen Garten ins vermeintliche Niemandsland ausgedehnt und gratis auf den Höfen geparkt, weil neben den Garagen noch Platz war.
Mieter ignorierten die Kündigungen
Der Investor will abreißen und Wohnhäuser auf die insgesamt rund 5500 Quadratmeter Boden setzen. 59 Garagen würden dafür fallen, dazu kämen die Freiluft-Parkplätze auf den Garagenhöfen. Die Anwohner sprechen von 119 Stellplätzen, die entfielen und die jetzt schon schwierige Parkplatzsuche zu einem abendfüllenden Programm machen könnten. Das Bezirksamt sagt, es seien nur 55 Parkplätze. Aber alle wissen: Die schmalen Straßen in der Siedlung sind schon seit Jahrzehnten nur einspurig befahrbar, weil die zweite Spur ab mittags zugeparkt ist. Und alle wissen auch: Garagenhöfe sind in Zeiten knapper Flächen für Wohnungsbau eine wenig effiziente Nutzung für Grundstücke.
Die Anwohner fühlen sich aber von „Geschäftemachern“ verschaukelt und greifen auch das Bezirksamt Wandsbek an, das sich über altes Recht hinwegsetze. „Die Baugenehmigung für die Siedlung wurde damals nur erteilt mit der Maßgabe, dass auch die Garagen gebaut werden“, sagt Sebastian Laude, Sprecher einer neu gegründeten Interessengemeinschaft, die sich dem Erhalt der Garagenhöfe verschrieben hat. „Dazu gibt es eine amtliche Teilungsgenehmigung von 1955, die diese Auflage ebenso festhält wie die Baugenehmigungen für unsere Reihenhäuser. Jetzt wollen sich Amt und Investor darüber hinwegsetzen und den Abriss der Garagen trotzdem durchziehen.“
Das Bezirksamt bestätigte, dass für die Wohnhäuser auf drei der vier Grundstücke bereits Vorbescheide ergangen seien, die normalerweise schon ein Recht auf eine Baugenehmigung bescheinigen. Für das vierte Flurstück läuft ein Baugenehmigungsverfahren, dessen Ausgang noch offen ist. Zwischen 25 und 33 Wohneinheiten sollen entstehen, wie die bestehenden Reihenhäuser zweigeschossig mit Satteldach, wenn auch in leicht verdichteter Bauweise. Die Saseler Garagenhöfe seien nicht mehr geschützt, weil der Senat 2014 die Stellplatzverpflichtung für Neubauten aufgehoben habe, so das Bezirksamt und der Investor. Die einstmals geltende Stellplatzverpflichtung für die Siedlung sei sozusagen nachträglich entfallen.
Will Amt das Recht rückwirkend ändern?
Das bringt die Anwohner in Rage, weil sie darin eine rückwirkende und folglich unzulässige Änderung der Rechtslage sehen und in dieser Sichtweise auch von ihrem Anwalt Einar von Harten bestätigt werden. Die Vorbescheide hat er alle angefochten. Zur Entscheidung vors Verwaltungsgericht kann die Sache aber erst gehen, wenn das Amt eine Baugenehmigung verschickt hat. So lange schwelt der Konflikt weiter.
Eine größere Quartiersgarage unter die Neubauwohnungen setzen will der Investor jedenfalls nicht. Tiefgaragen sind teuer und würden sich für einen Privatinvestor nur rechnen, wenn entsprechend mehr Wohnfläche genehmigt würde. Das ist angesichts der Menge an fehlenden Parkplätzen kaum denkbar, obwohl der Grundstückspreis mit – allerdings unbestätigten – 1,4 Millionen Euro für die 5.500 Quadrameter vergleichsweise günstig gewesen sein soll.
Quadratmeter Bauland für 700 Euro
Der Quadratmeter Bauland kostet in Sasel gern mal 600 bis 700 Euro, nicht nur 250. Für den Investor erklärte Inhaber Ulrich Lorenzen, dass die Siedlungsbewohner Stellplätze zum großen Teil auf ihren eigenen Grundstücken schaffen könnten. „Garagenhöfe sind angesichts der Wohnungssituation, des Siedlungsdrucks und moderner Stadtplanung in Hamburg als prähistorisch anzusehen.“
Auch hätten die Siedler die Garagenhöfe selbst kaufen können, als sie noch zu haben waren. Im Übrigen brauche man angesichts der zentralen Lage der Siedlung mit fußläufiger Entfernung zum Stormarnplatz und zum Alstertal-Einkaufzentrum (AEZ) keinen Zweitwagen. Die Parkplatzfrage sei folglich „eher ein Luxusproblem“.
Die Stadt tritt zwischen den harten Fronten nicht als Vermittler auf: „Angesichts der Rechtslage konnte nicht zugunsten der Anwohner entschieden werden“, hieß es aus dem Bezirksamt Wandsbek, und die Polizei habe bescheinigt, dass von einer „dramatisch negativ veränderten Verkehrssituation nicht aus(zu)gehen“ sei. Angesichts dieser Aussagen halten die Anwohner eine gerichtliche Auseinandersetzung für „unausweichlich“. Sie könnte Signalwirkung für die Stadt haben. Denn in den Außenbezirken gibt es viele Garagenhöfe nach dem Saseler Muster.
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