Alpenkarte

Hamburger präsentieren alle Skigebiete auf einen Blick

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Nico Binde
Mut zur Marktlücke: Lana Bragina und Stefan Spiegel – hier auf St. Pauli – haben die Skigebiete der Alpen kartografiert

Mut zur Marktlücke: Lana Bragina und Stefan Spiegel – hier auf St. Pauli – haben die Skigebiete der Alpen kartografiert

Foto: Michael Rauhe / HA

Zwei Ski-Begeisterte legen die erste vollständige Alpenkarte für Wintersportler vor – und finden Käufer in aller Welt.

Hamburg.  Vielleicht sollte man mit der naheliegenden Frage anfangen: Wie konnte das passieren? Wie kommt ausgerechnet ein in Buxtehude geborener Hamburger beim Spazierengehen in Frankfurt am Main auf die Idee, die Alpen und ihre Skigebiete zu vermessen? „Keine Ahnung, warum mir das in Frankfurt eingefallen ist“, sagt Stefan Spiegel. „Manchmal kommt man ja an den merkwürdigsten Orten auf gute Ideen.“ Der Rest sei schnell erklärt: Er fährt seit Kindertagen Ski, liebt die Berge, in Hamburg gibt’s keine. Da sei viel Sehnsucht im Spiel.

Aus dieser Hochgebirgssehnsucht hat der Fernsehjournalist nun etwas offenbar Einmaliges gemacht: Nach eigenen Angaben legt er die weltweit erste Karte der Alpen vor, auf der alle 634 Skigebiete verzeichnet sind. Ein ganz altmodisches Produkt zum An-die-Wand-Hängen und Mit-dem-Finger-Abfahren – wie Weltkarten von früher. Sieben Länder, 30.000 Pistenkilometer, eine Karte. „Eigentlich habe ich beim Spazierengehen nur gedacht: Wie cool wäre es, alle Skigebiete auf einem Blatt zu haben?“, fragt der 31-Jährige. Um hinterher festzustellen: So etwas gibt es noch nicht. Bis jetzt.

In Grafikdesignerin Lana Bragina fand er eine begeisterungs- und leidensfähige Mitstreiterin, die Karten und Infografiken liebt – und die Geduld hatte, einen Wust aus Daten ansprechend zu illustrieren. Denn das Zusammentragen der Daten war komplexer als gedacht. „Eine Wissenschaft für sich“, sagt Stefan Spiegel. Fast ein Jahr lang recherchierten die beiden in Geoinformationsdiensten, studierten Pistenpläne und informierten sich bei Skiferien-Anbietern. In jeder freien Minute kritzelten sie Berge auf Karten oder zeichneten Pisten an Hänge. Mal kamen neue Berge hinzu, dann verschwanden wieder Skigebiete. „Ich hätte nicht gedacht, dass es so viel Arbeit ist“, sagt Stefan Spiegel.

Fehlte nur noch das nötige Kleingeld. Deshalb begannen die beiden Kartendesigner, im Internet um Unterstützung für ihr Projekt zu werben. „Wir wollten 5000 Euro zusammenbekommen, um nicht mit einem Minus rauszugehen“, so Spiegel. Schon nach zwei Tagen war dieses Ziel erreicht. Inzwischen haben sie auf einer Crowdfoundingplattform fast 17.000 Euro von mehr als 200 Unterstützern erhalten. „Das ist der Wahnsinn“, sagt Lara. „Wir haben Bestellungen aus Hongkong, Island, Russland, den USA und Neuseeland.“ Auch drei Australier wollen die Karte. Nicht zu vergessen die vielen deutschen Skibegeisterten. Die Hamburger Vermessung der Alpen scheint eine Marktlücke zu sein. Pünktlich zur Skisaison bringen die beiden ihr Projekt an den Start (derzeit kostet die Originalkarte im Netz 60 Euro).

Die Hamburger Sektion des Deutschen Alpenvereins gilt als fünftgrößte der Republik. Etwa 21.000 norddeutsche Mitglieder stillen dort ihr Bedürfnis nach alpinem Freizeiterlebnis. Kletterparks erfreuen sich großer Beliebtheit, und nicht ohne Grund werden die Hamburger Frühjahrsferien auch Skiferien genannt. Eine Karte für Flachlandalpinisten, schätzt Stefan Spiegel anhand der ersten Reaktionen, hat gerade noch gefehlt. Lara Bragina: „Man sehnt sich eben nach dem, was am wenigsten verfügbar ist.“

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Man sehnt sich nach dem, was am wenigsten verfügbar ist – und in Hamburg sind das die Berge.


Lana Bragina

In diese Nische stoßen die beiden Hamburger mit einer tiefblauen, gen Gipfel ins Weiße driftenden Ansicht der Alpen – dekorativ und informativ zugleich. Im Großformat (1 mal 1,4 Meter) sind die Anzahl roter, blauer und schwarzer Pisten, sämtliche Höhenmeter und nahezu jede erdenkliche Statistik abgebildet. Unter anderem erfährt man, dass Österreich mit 203 Ressorts die meisten Skigebiete hat, während Liechtenstein nur eins besitzt. Deutschland mit seinen 44 Skigebieten und 563 Pistenkilometern gehört zu den kleinen Anrainern. Für Statistikfeinschmecker ist die Landkarte jedenfalls mehr als nur ein Fluchtort an der Wohnzimmerwand.

Eine Herzensangelegenheit war die Karte für Nordlicht Stefan Spiegel. „Ich komme eigentlich aus Buxtehude, aber seit ich denken kann, fahre ich Ski.“ Mit seinen Eltern sei er viel im Gebiet Les 3 Vallées in Frankreich gewesen – deshalb musste das ganzheitliche Betrachten der Alpen jetzt einfach mal sein. Die Liebe zu den Bergen wolle er aber nicht mit der Liebe zum Strand vergleichen. Beide erstrebenswert, nur sind Berge im norddeutschen Flachland öfter abwesend. Und irgendwo muss man ja hin mit seiner Liebe.

Dass die beiden Hamburger bei ihren Recherchen ein hübsches Extra herausgearbeitet haben, passt ins Sehnsuchtsbild: die 30 prägendsten Gipfel der Alpen in Einzelporträts für die Wohnung. Lana Bragina hat das Matterhorn, die Zugspitze und den Mont Blanc in ein schlichtes rot-weiß-blaues Design übergeführt. Wem „Der Watzmann“ von Caspar David Friedrich zu romantisch ist, kann hier die kühle Entsprechung bekommen. „Wer will, kann sich bei uns auch seinen Lieblingsberg der Alpen gestalten lassen“, sagt die 33-Jährige.

Ihre Jobs wollen die beiden trotz der großen Resonanz nicht kündigen. Eine vielversprechende Rückmeldung aus den USA zeigt aber, dass sie mit ihrer Idee ins Schwarze getroffen haben. „Von dort haben wir die Anfrage erhalten, ob wir eine ähnliche Karte auch für die Rocky Mountains machen könnten.“ Vielleicht ist das das nächste Projekt der Hamburger Alpenfans.

Das Crowdfounding (noch bis Sonntag): www.kickstarter.com/projects/970979684/the-alps-636-ski-resorts-one-map

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