Neustadt. Es fällt der Jury nie ganz leicht, aus den vielen Nominierungen für den Hamburger Lehrerpreis die drei besten Kandidaten auszuwählen. Doch jetzt stehen sie fest: Am Donnerstagabend wurden Hanni Warnken, Rainer Zastrutzki und Frank Teltemann mit dem von Hamburger Sparkasse und Hamburger Abendblatt ausgelobten Preis ausgezeichnet.
„Der Lehrerberuf wird immer anspruchsvoller, denn es müssen immer mehr Erziehungsdefizite aufgearbeitet werden“, sagte Haspa-Chef Harald
Vogelsang bei der feierlichen Preisverleihung im Festsaal der Haspa am Adolphsplatz. „Mit dem Lehrerpreis wollen wir den Pädagogen ein gutes Feedback aus der Gesellschaft geben.“ Der mit jeweils 3000 Euro dotierte Preis wird seit 2012 verliehen.
Hanni Warnken: Unterrichten als Traumberuf
Für Hanni Warnken, 31, ist die Grundschule Langbargheide – eine KESS-1-Schule mit einer stark belasteten Schülerschaft – ein Wunsch-Arbeitsplatz. „Nach meinem Referendariat an einer Brennpunktschule in Niedersachsen habe ich mich extra hier beworben“, so die junge Klassenlehrerin, die drei Jahrgänge gleichzeitig unterrichtet: Vorschulkinder, Erst- und Zweitklässler.
Unter ihren 19 Schülern sind mehrere Integrationskinder. Im Umgang mit ihnen leistet sie täglich einen enormen Spagat. Es kommt vor, dass sie Arbeitsbögen in elf Schwierigkeitsstufen vorbereitet, damit jedes Kind auf seinem Level arbeiten kann.
Während des Unterrichts sitzt kaum ein Kind still, die wenigsten melden sich, bevor sie etwas sagen. Obwohl der Geräuschpegel hoch und die Belastung groß ist, verliert Hanni Warnken nie die Geduld. Sie geht von Tisch zu Tisch, beantwortet Fragen, leistet Hilfestellung, lobt oder macht behutsam Verbesserungsvorschläge.
„Frau Warnken schenkt Aufmerksamkeit und Zuwendung, aus vollem Herzen und absolut authentisch“, sagte Jury-Mitglied Elisabeth Keßeböhmer, Personalchefin bei der Haspa, in ihrer Laudatio auf die Grundschullehrerin. „Sie ist jedem Kind gegenüber zugewandt, und wenn es sich nur um einen Sekunden-Kontakt handelt.“
Rainer Zastrutzki: Horizont der Schüler erweitern
Rainer Zastrutzki, 41, unterrichtet an der Stadtteilschule Wilhelmsburg Deutsch, Sport, Philosophie, Ethik, Gesellschaft, ist außerdem Berufs- und Ganztagskoordinator und Leiter der Schülerfirma „Veddel erleben“, die sich um die Verwaltung und die Vermietung der benachbarten ehemaligen Polizeisporthalle kümmert.
Obwohl er erst seit 2011 an der Stadtteilschule unterrichtet, hat er bereits zahlreiche Projekte etabliert. In einem von ihm besorgten Wohnwagen verwalten die Schüler Sportgeräte, die sie in den Pausen ausleihen. Das Projekt „Sport-Jobber“ ermöglicht Schülern, sich als Übungsleiter zu qualifizieren und gegen Honorar an der Schule zu arbeiten. Und vor der Klassenreise nach Venedig, bei der 125 Schüler mitfahren, müssen die Schüler kalkulieren, wie sie mit ihrem kleinen Budget zurechtkommen können.
Eigentlich ist Zastrutzki gelernter Krankenpfleger, hat sich aber auch als Musiker, Gerüstbauer und Journalist durchgeschlagen. Er war Jugendtrainer beim FC St. Pauli, wo er heute bei den „alten Herren“ mitspielt, und hat erst mit 30 Jahren angefangen zu studieren.
Obwohl Gymnasiallehrer zog er es vor, an der Stadtteilschule Wilhelmsburg zu wirken. „Ich möchte, dass meine Schüler die Schule als positiven Lebensort empfinden und ihre Bildungschancen verbessern“, sagt er. „Sie sollen über ihren Tellerrand gucken und die gleichen Chancen bekommen wie Schüler aus Blankenese.“
Immer wieder motiviert er die jungen Wilhelmsburger, sich in der Hamburger Innenstadt Praktikumsplätze zu suchen. „Rainer Zastrutzki glaubt an die Stärken seiner Schüler. Um sie anzuregen, verschafft er ihnen Bewährungsmöglichkeiten, wo sie sie ausprobieren können“, so der frühere Landesschulrat Peter Daschner, der ebenfalls in der Jury sitzt.
Frank Teltemann: Anwalt und Manager seiner Schüler
Frank Teltemann, 34, unterrichtet am Gymnasium Ohmoor Latein und Biologie. Darüber hinaus ist er im vierten Jahr Klassenlehrer der Klasse 10f. In ihrer Nominierung loben die Schüler seinen Lateinunterricht als interessant, abwechslungsreich, aufgelockert, perfekt vorbereitet und witzig.
„Latein transportiert Inhalte und ist als Basissprache Europas wie Musik und Kunst ein wichtiges Kulturgut, das es zu bewahren gilt“, sagt Teltemann. Das tut er beispielsweise, indem er seine Schüler untersuchen lässt, ob Whistleblower Edward Snowden Ciceros Vorstellungen von Verantwortung gerecht geworden wäre. Oder was Cicero dem Sänger der Band „Fettes Brot“ geraten hätte, der auf die Freundin seines besten Freundes „steht“. Die Youtube-Aufnahme des Songs spielt er den Schülern auf dem Smartboard vor.
Zu Beginn seiner Klassenlehrertätigkeit hat er mit ihnen eine Art Vertrag abgeschlossen: Er erwartet von ihnen ein Mindestmaß an Respekt und sozialen Umgangsformen; dafür verpflichtet er sich, einen Unterricht zu machen, den jeder versteht und wo jeder sein Ziel erreichen kann. Als Klassenlehrer verstehe er sich darüber hinaus auch als Anwalt und Manager der Schüler.
„Hier ist eine offensichtlich bemerkenswerte Gemeinschaft gewachsen, die von diesem jungen Lehrer maßgeblich gefördert wird“, so Jury-Mitglied Peter-Ulrich Meyer, Bildungsexperte beim Abendblatt. Er lobte darüber hinaus die klare Unterrichtsstruktur und den konzentrationsfördernden Wechsel zwischen Stillarbeit, Gruppenphase und Plenum.
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Hamburg