Zu Tisch!

Tipps vom Experten: So flambieren Sie richtig

| Lesedauer: 8 Minuten
Matthias Rebaschus

Flambieren und Kochen mit Alkohol: Gastronom Rüdiger Kowalke zeigt, wie gute Küche mit Wein, Schnaps und Likör funktioniert.

Langsam wird der Himmel über der winterlichen Elbe an der Großen Elbstraße blau. Eine gemütliche Stimmung macht sich im hinteren, rot gehaltenen Raum des Fischereihafen Restaurants breit. Messing und kleine Lampen schimmern golden. Rüdiger Kowalke ist dabei, diese Stimmung mächtig anzuheizen. Obwohl er hoch konzentriert ist, strahlt er, hält Pfanne und Sauciere in den Händen und ist beim Erzählen von Döntjes kaum zu bremsen. Im dritten Anlauf klappt es großartig: Mit einem „Paff!“ zucken für Sekunden Flammen aus der Pfanne. Fast zwei Meter hoch! Man nennt es Flambieren, und man muss es können.

Rüdiger Kowalke kann es, denn vor fast 40 Jahren hat er Flambiershows gegeben, gastierte damit sogar in Skandinavien. Heute gibt es die Show noch einmal nur fürs Hamburger Abendblatt. Heute hat Michael Scherrer, der Küchenchef im Fischereihafen Restaurant, mit einer speziellen Alkoholmischung nachgeholfen, die er nicht verrät, weil die Nachahmung in Amateurküchen zu gefährlich ist. „Nur so viel: Der Alkohol hat weit mehr als 40 Prozent...“

Mit dem Flambieren erreicht man den größten und schnellsten Eindruck beim Kochen mit Alkohol. Mit Wein, Sekt, Bier, Schnaps, Wermut, Cognac, Whiskey werden die raffiniertesten Gerichte zubereitet – mit denen man sich im Winter besonders gern erwärmt. So zum Beispiel mit einer Suppe von Nordsee-Miesmuscheln, die dampfend den Duft von Meer, Wein, Safran und Pernot (Anis) verströmt. Und diese passt jetzt zu geröteten Gesichtern nach einem Spaziergang in eisigen Temperaturen. Doch es geht auch, ohne dass man mit dem ersten Schnuppern der Muschelsuppe alkoholisiert wird. Viele berühmte Gerichte werden damit nur aromatisiert, während der Alkohol verdampft. Beim Flambieren wird der Alkohol abgefackelt, während die Aromastoffe die Speise würzen. Zusätzlich entstehen beim Verbrennen Röstaromen und Karamellstoffe, die in der feinen Küche so beliebt sind. Ist Flambieren etwa aus der Mode geraten?

Ja, sagt Rüdiger Kowalke. „Früher hatte ich zwei Flambierwagen, und wir haben Kalbsnieren, Schattenmorellen und Crêpes flambiert“, sagt er. Das war zu der Zeit, als im Schwarz-Weiß-Fernsehen sonntags kernige Cowboys bei „Bonanza“ ritten und gegen das Böse stritten. Einer von ihnen hieß Manolito. „Beliebt war bei uns das flambierte und gepfefferte Club-Steak Manolito“, erinnert sich Kowalke an den Kaltenkrichner Hof, den er früher leitete. Den meisten Eindruck machten damals die flambierten Zigarren. „Die Gäste machten große Augen, als wir sie fragten, ob wir die Davidoff mit Whiskey, Grand Marnier oder Cognac flambieren sollen.“

Das ging so: In einem kleinen Schälchen wurde der Alkohol entzündet und das Mundstück der Zigarre einen halben Zentimeter eingetaucht. „Nach dem Abbrennen hatte man den Geschmack auf den Lippen“, sagt Kowalke. Seine Flambiershows im Kaltenkirchner Hof sahen Norweger, die ihn in ihre Heimat nach Sandefjord einluden. „Das hatten die noch nie gesehen, und ich flambierte nachmittags zum Tanztee bei Livemusik für 80 bis 100 Gäste jeweils vier Gänge mit vier Flambierwagen und sogar noch den Irish Coffee: Das war harte Arbeit.“

Doch wieder strahlt der Senior im Fischereihafen Restaurant, denn beim Flambieren ist er direkt am Gast. „Ich bin gern vorn am Gast“, sagt er, „dort ist mein Revier.“ Hinten in der Küche liegt das Revier von Küchenchef Michael Scherrer. Und dort wird weiterflambiert. „Zum Beispiel flambiere ich bei der Herstellung der Hummersoße die leeren Hummerschalen mit Cognac“, sagt er. Und das Kochen mit Alkohol?

Scherrer: „Fast jede Soße, fast jede Farce (Füllung für Fleisch- und Fischgerichte) und Grundprodukte der Küche werden mit Wein, Champagner oder anderen Alkoholika gekocht.“ Auf die Frage, ob das viele Abschmecken der Soßen nicht schwach mache, sagt er: „Natürlich probieren wir andauernd. Denn: Damit alles nachher rund schmeckt, geben wir immer wieder geringe Mengen dazu.“ Doch auf den Probierlöffel komme nur so wenig, dass der Koch nicht beeinträchtigt werde.

In anderen Gerichten spielt der Alkohol eine Hauptrolle. Im französischen Nationalgericht Coq au Vin werden die Zutaten in reichlich Wein erst mariniert und dann geschmort. Coq au Vin wurde auch verdeutscht als „Kokowääh“ mit Til Schweiger zum Kinohit. Wie viele andere Filme, die den Umgang mit Alkohol in der Küche oder am Tisch zum Thema haben. Klassiker sind die „Feuerzangenbowle“, der „Silvesterpunsch“ mit Alfred Tetzlaff oder „Dinner for one“.

Lustig – auch ohne Alkoholkonsum – geht es nach der Flambiershow im Fischereihafen Restaurant weiter. Fünfmal erwärmt Rüdiger Kowalke vorsichtig die Brandmischung in der Pfanne auf einer Induktionskochplatte. Fünfmal sprang Koch Michael Scherrer nach dem Entzünden blitzschnell zur Seite. Fünfmal zuckten für den Fotografen Bertold Fabricius die Flammen zur Decke. Dann riss Benny Kast, der mit Dirk Kowalke das Restaurant heute leitet, die Fenster auf. Der Senior lachte: „Das riecht hier streng...“

Wer zu Hause flambieren will, sollte Hochprozentiges mit mindestens 40 Volumenprozent verwenden und auf feuerfestes Geschirr und einen großen Abstand zu brennbaren Gegenständen, seinem Gesicht und Fetten achten. Alkohol wird in einer Pfanne nur erhitzt, aber nicht gekocht, und mit einem langen Streichholz entzündet. Auch die Speisen müssen heiß sein. Fett sollte beim Flambieren fehlen.

Kowalke: „Wichtig ist es, sich vorher alles bereitzulegen und vielleicht einmal trocken zu üben.“ Ein kleines Schnapsglas (4 cl) voll Alkohol reicht in der Regel. Man lässt den Alkohol verbrennen, was nach wenigen Sekunden der Fall ist. Die Flamme wird nicht erstickt.

Alkohol ist wie Fett in der Küche ein Geschmacksträger. Soßen erlangen mit Wein nicht nur ein frisches Aroma, sie werden auch angenehm säuerlich und nehmen die Farbe an. Mit Alkohol wird mariniert (Birnen) und parfümiert (Kirschtorte). Selbst streng gesundheitsbewusste Kochbücher für Vegetarier empfehlen Wein („einen Esslöffel voll“) zum Würzen, zum Beispiel von Pilzsoßen, wie im „lactovegetabilen“ Klassiker „Speisen, die nicht dick machen“ von Lisa Mar (1951). Das war – viel früher – einmal anders, als richtig Reichhaltiges auf den Tisch kam. Wie mit der „Sauce von weißem Wein“ aus dem „Norddeutschen Kochbuch“ von 1896, in dem Luise Keck fünf Eier, einen halben Liter Weißwein und den Saft einer Zitrone im Wasserbad „mit einer Rute recht lang schlagen“ lässt. Sie rät: „Man darf nicht aufhören zu schlagen, bis die Sauce recht dicklich geworden ist.“ Auch das Puddingrezept von Luise Keck mit dem Namen „Ich lass dich nicht“ enthält neben zehn Eigelb, einem Viertelpfund Zucker auch Gelatine, die in Weißwein aufgelöst ist. Dieser Pudding ist längst vergessen, doch eine andere Süßspeise mit dem lustvollen Namen „Zieh mich hoch“ gehört als Tiramisu heute zu den beliebtesten. Statt Wein enthält Tiramisu den Mandellikör Amaretto.

Im Fischereihafen Restaurant wird vor Gästen nicht mehr flambiert. Auch der Konsum von Hochprozentigem als Digestif ging zurück. „Die Gäste sind vorsichtiger, besonders die Autofahrer“, sagt Kowalke. Doch zum Essen werde weiter Wein getrunken. „Da hat sich bei uns nichts geändert, nur die Vorlieben. Rotwein ist zum Fisch wesentlich mehr gefragt. Der Anteil hat sich auf ein Viertel fast verdoppelt.“

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