Bislang ist keine der 14 Velorouten in Hamburg fertig. CDU und Grüne kritisieren den Senat. Wegenetz soll 280 Kilometer lang werden. Radverkehrsanteil soll sich erhöhen.

Hamburg. Die Hansestadt soll fahrradfreundlicher werden. Doch aus dem kompletten Ausbau der 14 Velorouten (vergrößerte Kartenansicht) wird auch bis zum Jahr 2015 nichts. Dieses Ziel hatte sich der Senat selbst gesetzt. Wann Hamburgs Radler endlich auf durchgehenden Fahrradrouten bequem, schnell und sicher lange Strecken quer durch die Stadt bewältigen können, bleibt unklar.

"Das lässt sich nicht mit einem Datum benennen. Es wird im Rahmen der zur Verfügung stehenden Ressourcen kontinuierlich an der Weiterentwicklung der Velorouten gearbeitet", so Helma Krstanoski, Sprecherin der Verkehrsbehörde. Übersetzt soll dieses Behördendeutsch heißen: Der Bau von Fahrrad-Autobahnen verzögert sich weiter - auf unbestimmte Zeit.

Laut der in der Radverkehrspolitik federführenden Behörde stehen auch 2013 rund zehn Millionen Euro für den Ausbau der Radwege in Hamburg zur Verfügung. Allerdings werde diese Summe nicht nur für die Velorouten ausgegeben. Auch das ist ein Indiz dafür, dass der Radwegeausbau nicht an erster Stelle in Hamburg steht. Dabei wurde sie schon vor fünf Jahren angekündigt, die große "Fahrrad-Offensive", auch "Rad-Revolution" genannt. Doch was hat sich in der Stadt seither getan? Viele Radwege sind in einem schlechten Zustand und die Velorouten, die bereits Mitte der 1990er-Jahre geplant wurden, sind immer noch nicht fertiggestellt. Auch das Vorhaben, den Radverkehrsanteil von derzeit zwölf auf 18 Prozent zu erhöhen, wird aktuell nicht mehr mit einer festen Zeitvorgabe verfolgt und scheint keine Priorität zu haben.

Zum Vergleich: In der Innenstadt von Fahrradvorbild Kopenhagen liege der Radverkehrsanteil bei 40 bis 45 Prozent, so Dirk Lau, stellvertretender Landesvorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Cubs (ADFC). "Die Radverkehrspolitik in Hamburg wird lustlos betrieben. Seit fünf Jahren hören wir, dass die Velorouten endlich verwirklicht werden sollen, aber die Umsetzung läuft sehr, sehr zäh", sagt Fahrradlobbyist Lau. Die Planungen für die 14 Hamburger Velorouten würden seit 1999 in den Schubladen wechselnder Hamburger Regierungen liegen. Ihr derzeitiger Ausbauzustand sei sehr unterschiedlich, einige Routen gebe es nach wie vor nur auf dem Papier, so Lau.

Hätte sich der Senat an die bisherige Planung der Radverkehrsstrategie gehalten, müssten schon mehrere Velorouten fertiggestellt sein. Bislang sind die Bauarbeiten auf keiner einzigen Route beendet, lediglich Teilabschnitte wurden fertiggestellt.

Für Klaus-Peter Hesse, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, geht der Ausbau der Velorouten zu langsam voran. "Der Senat macht viel zu wenig, um die Mobilität in der Stadt zu fördern, dafür gibt es kein Personal, weil etwa die Busbeschleunigung so aufwendig und teuer ist", sagte Hesse.

Auch Till Steffen, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, kritisiert die Umsetzung der Radverkehrsstrategie des Senats: "Die Sanierung der Straßen hat absoluten Vorrang. Schlaglöcher auszubessern ist offenbar wichtiger, als Fahrradwege zu bauen. Die Wirtschaftsbehörde spricht zwar immer davon, dass Hamburg fahrradfreundlicher werden soll, aber tut viel zu wenig dafür." Bei jeder Straße, die saniert wird, müsste parallel geprüft werden, ob auch der Radweg ausgebaut werden könnte. "Dafür fehlt dem Senat aber der Wille und den Bezirken das Personal", sagte Steffen. Was die beiden Kritiker nicht sagen, ist, dass CDU und Grüne seit 1999 lange selbst regiert haben und den Ausbau der Velorouten hätten vorantreiben können. "2001 hat die CDU die Umsetzung des Radverkehrsprogramm sogar eingestellt und erst in der Koalition mit den Grünen 2008 überhaupt wieder aufgenommen", sagte Lars Pochnicht, Radverkehrsexperte der SPD. Der Senat behandle den Ausbau der Velorouten nicht stiefmütterlich, sondern arbeite stetig daran, so Pochnicht.

Das Hamburger Netz der Velorouten soll 280 Kilometer lang werden. Zwölf sternförmig vom Rathausmarkt verlaufende Routen verbinden dann das Stadtzentrum mit den Stadtteilen und zwei Ringverbindungen erschließen die Wohngebiete. Auf diesen Strecken sollen Radfahrer zügig vorankommen. Auch Ampelschaltungen sollen dafür sorgen, dass Radfahrer zügiger und komfortabler durch die Stadt kommen.

2012 wurden laut Wirtschaftsbehörde Teilabschnitte der Velorouten 3, 6, 7,8, 9, und 11 (siehe Grafik) fertiggestellt. Dort wurden der Wirtschaftbehörde zufolge Radwege ausgebaut, die Linienführung und Beleuchtung verbessert sowie Fahrradstraßen gebaut. Auch der Ausbau der Veloroute 4 war für das vergangene Jahr geplant. Doch die Bezirksversammlung Nord hatte im November entscheiden: Der Leinpfad in Winterhude wird vorerst keine Fahrradstraße. Wieder ein Indiz dafür, dass der Radwegeausbau nicht an erster Stelle in Hamburg steht. Für 2013 und 2014 sind laut Wirtschaftsbehörde Arbeiten an den Veloroute 1,2,4,7,8,10 und 11 geplant.

Neben dem Ausbau der Velorouten fordert der ADFC in Hamburg flächendeckend Tempo 30. Dazu Krstanoski: "Flächendeckend Tempo 30 ist in einer Wirtschaftsmetropole wie Hamburg nicht realisierbar." In allen Bezirksämtern gebe es jeweils einen Mitarbeiter, der sich schwerpunktmäßig um die Weiterentwicklung des Radverkehrs kümmere, so die Sprecherin der Wirtschaftsbehörde weiter.

Auf Anfrage des Abendblatts bestätigen nur die Hamburger Bezirke Bergedorf und Mitte, einen ausgewiesenen Fahrradbeauftragten zu haben. In Altona, Eimsbüttel und Harburg kümmert sich das Fachamt Management des öffentlichen Raumes um Fahrradwege. Steffens Fazit: "Von einer Rad-Revolution auf Hamburgs Straßen sieht man leider nichts." Den neuen Fortschrittsbericht der Radverkehrsstrategie wollte die Wirtschaftsbehörde laut Steffen übrigens schon im Februar veröffentlichen.