Mehrere Initiativen sammeln auch in Hamburg Unterschriften für eine flächendeckende Geschwindigkeitsbegrenzung in Städten.

Hamburg. Seit mehr als zehn Jahren gibt es Bürgerbegehren in Hamburg, seit 2012 gibt es dieses Mittel der direkten Demokratie nun auch innerhalb der EU. Vor wenigen Wochen hat die EU-Kommission ein europäisches Bürgerbehren zugelassen, für das auch in Hamburg intensiv Unterschriften gesammelt werden. Dabei geht es um ein flächendeckendes Tempo 30 innerhalb der Dörfer und Städte Europas. Ziel ist eine Umkehr der Regelgeschwindigkeit: Seit 1957 gilt Tempo 50 innerhalb geschlossener Ortschaften. Ausnahmen bilden die seit den 1980er-Jahren geschaffenen Tempo-30-Zonen. Ziel der europäischen Tempo-30-Bewegung ist eben ein genau umgekehrtes Verhältnis. Tempo 50 wäre dann die Ausnahme und müsste mit Schildern eigens ausgewiesen werden.

Getragen wird das Bürgerbegehren von rund 40 verschiedenen Organisationen. In Hamburg ist es vor allem der Landesverband des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC), der Unterschriften sammelt. Die Reduzierung der Verkehrsgeschwindigkeit sei eine gute Möglichkeit, Luftverschmutzung und Lärm zu drosseln und gleichzeitig die Bedingungen für Fußgänger und Radler zu verbessern, argumentiert der stellvertretende Landesvorsitzende Dirk Lau. "Alle können dann angstfreier auf den Straßen unterwegs sein - das wollen wir jetzt EU-weit erreichen."

Auch die Grünen unterstützen das Anliegen. Ihr Verkehrsexperte Till Steffen fordert ein möglichst flächendeckendes Tempo 30. Ein erster Schritt könnte eine nächtliche Geschwindigkeitsbegrenzung auf Hauptverkehrsstrecken sein, um lärmgeplagten Anwohnern zu helfen.

Zu den Kritikern gehört der Allgemeine Deutsche Autoclub ADAC. Es bestehe die Gefahr, dass sich der Verkehr verlagern werde, wenn auch auf Hauptstrecken Tempo 30 gelte, so das Argument. Hamburg habe zudem schon genügend Tempo-30-Strecken. Tatsächlich gilt die Geschwindigkeitsbegrenzung in Hamburg bereits auf etwa 56 Prozent des 4000 Kilometer langen Straßennetzes. Doch in Berlin sind es 72 Prozent, in Köln 70 und in München sogar 80 Prozent.

2011 hatte der Hamburger Senat noch 50 weitere Straßen für Tempo 30 vorgeschlagen, doch bei der bürokratischen Umsetzung in den Bezirken hapert es noch immer deutlich. Die EU-Initiative könnte das nun vereinfachen - wenn sie denn umgesetzt wird: Mit einer Europäischen Bürgerinitiative (EBI) oder einem Europäischen Bürgerbegehren kann eine Initiative direkten Einfluss auf die Gesetzgebung der EU nehmen, wenn sie innerhalb eines Jahres mindestens eine Million Unterstützungserklärungen aus sieben oder mehr Mitgliedsländern der EU sammelt. Gelingt das, ist die EU-Kommission verpflichtet, das Thema zu diskutieren. Allerdings behält die Kommission weiterhin das alleinige Initiativrecht. Falls die Kommission die Forderungen der Bürgerinitiative dann nicht aufgreift, muss sie allerdings die Gründe dafür öffentlich angeben. Der Hamburger SPD-Europaabgeordnete Knut Fleckenstein hält die EBI dennoch für ein "sinnvolles Instrument, mit dem die EU-Bürger zum ersten Mal direkten Einfluss auf EU-Gesetze nehmen können". Die erforderliche Mindestanzahl von Unterschriften ist in jedem Mitgliedstaat anders. Sie richtet sich nach der Einwohnerzahl sowie der Anzahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments dieses Staates. So muss Malta mindestens 3750 Unterschriften liefern, Deutschland aber 74.250. Neben der Tempo-30-Initiative laufen Unterschriftensammlungen für folgende Bürgerbegehren: "Einer von uns" gegen die EU-Finanzierung von Aktivitäten, mit denen die Zerstörung menschlicher Embryonen einhergeht.

"Stop vivisection" für die Abschaffung von Tierversuchen.

"High Quality European Education for All" für ein europaweit einheitliches Schulbildungsmodell.

"Pour une gestion responsable des déchets, contre les incinérateurs" für eine verantwortungsvollere Müllentsorgung.

"Suspension of the EU Climate & Energy Package" für ein Aussetzen des EU-Klimapakets.

"Central public online collection platform for the European Citizen" ist eine Initiative für eine europaweite Online-Plattform zur Registrierung und Bewerbung von Bürgerinitiativen (bis 1. November).

"European Initiative for Media Pluralism" für ein europäisches, transparentes Presse- und Medienrecht.

"Single Communication Tariff Act" fordert eine monatliche Flatrate, alles inbegriffen, für alle Handygespräche innerhalb der EU.

"Stoppen wir den Ökozid in Europa" gegen die Zerstörung von Ökosystemen. "Right to water" ist eine Initiative, die Wasser und sanitäre Grundversorgung als Garantie für alle fordert.

Bisher hat die Tempo-30-Initiative 14.702 Unterschriften gesammelt, die meisten mit 5511 in Deutschland, die wenigsten mit nur einer Signatur in Zypern. Fristende ist im November.