Die Stadt sucht dringend Plätze für die wachsende Zahl von Asylbewerbern. Doch in Moorfleet und anderenorts formiert sich Widerstand.

Moorfleet. Die Anwohner in Moorfleet sind in Sorge. Seit Sozial- und Innenbehörde vor zwei Wochen bekannt gegeben haben, dass die Stadt weitere 1500 Plätze für die Erstaufnahme sowie zur Unterbringung für Flüchtlinge und Zuwanderer schaffen muss, wissen sie, dass auch ihr Viertel auf der Liste der geplanten Standorte steht. In der alten Schule an der Straße Sandwisch soll eine Unterkunft für 100 Asylbewerber entstehen. 50 Menschen sollen direkt im Schulgebäude unterkommen, 50 weitere in Containern auf dem Parkplatz.

"Natürlich stößt uns das sauer auf", sagt Yvonne Stefok, Mitglied einer Bürgerinitiative, die sich gegen die Pläne der Behörde wendet. Noch mehr ärgere die Bürger vor Ort aber, dass sie in die Planungen nicht eingebunden sind. Dass eine Unterkunft in ihrem Ortskern geplant ist, wüssten die Anwohner aus der Zeitung. Und in der vergangenen Woche habe die SPD, die in Bergedorf die Mehrheit der Sitze in der Bezirksversammlung hat, beschlossen, dass es keine Bürgerbeteiligung zu den Plänen geben wird.

Deshalb ist Yvonne Stefok gerade dabei, eine eigene Informationsveranstaltung auf die Beine zu stellen. Stattfinden soll diese am 18. Dezember um 19.30 Uhr, eingeladen hat sie Vertreter der Sozialbehörde, der Fraktionen in der Bergedorfer Bezirksversammlung, den Geschäftsführer des zuständigen Trägers Fördern und Wohnen und den Bezirksamtsleiter. Gemeinsam mit ihren Mitstreitern, unter anderem der Arbeitsgemeinschaft Moorfleet, will Yvonne Stefok erklären, warum die Anwohner mit so viel Skepsis auf die geplante Unterbringung reagieren.

Man habe nichts gegen die Menschen, die dort wohnen sollen, betont Stefok. "Wenn es in Moorfleet sein soll, gibt es aber bestimmt auch Ausgleichsflächen." Über solche wird auch in der Bezirkspolitik diskutiert. Bevor dort aber am 20. Dezember über die Pläne abgestimmt wird, wollen sich die Mitglieder der Moorfleeter Initiative Gehör für ihr Anliegen verschaffen und mehr über den Stand der Dinge erfahren. "Damit wir überhaupt wissen, was geplant ist", sagt Yvonne Stefok.

Moorfleet ist nur einer von zehn Stadtteilen, in denen die Stadt zusätzliche Plätze schaffen will. Die Zahl der Flüchtlinge, die nach Hamburg kommen und hier untergebracht werden müssen, ist im Vergleich mit dem Vorjahr enorm gestiegen. Vor allem seit dem Sommer kommen immer mehr Menschen, allein im Oktober waren es 380. Im gleichen Monat 2011 hingegen stellten nur halb so viele Menschen in Hamburg einen Asylantrag. Die rund 8400 Plätze, die die Stadt für Flüchtlinge und Wohnungslose vorhält, sind bis an die Belastungsgrenzen gefüllt. Die Stadt braucht also dringend mehr Angebote. Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) appellierte kürzlich an die Bewohner der Stadt: "Nur wenn alle an einem Strang ziehen und sich die gesamte Stadt solidarisch zeigt, werden wir bis zum Frühjahr mehr Plätze für Flüchtlinge und Wohnungslose schaffen."

Wie weit diese Solidarität gehen wird, erörtern die meisten Bezirke gerade mit ihren Bürgern. Wie weit der Widerstand der Anwohner gehen kann, haben im vergangenen Jahr die Harburger gezeigt, die gegen eine geplante Unterkunft den Weg des Bürgerbegehrens genommen haben. Letztlich kam dieses nicht zustande, aber die Pläne der Behörden waren ins Stocken geraten.

Dabei dränge bei der Einrichtung zusätzlicher Plätze die Zeit, sagt Jan Wrzeszcz, Sprecher des Trägers Fördern und Wohnen. Container, nicht bewohnte Gebäude - derzeit scheint alles recht. "Die schnellstmögliche Methode sind Container", sagt Wrzeszcz, aber dafür müsste es auch Flächen geben.

Eine solche hat die Sozialbehörde auch im Bezirk Eimsbüttel ausgemacht. Dort soll eine Unterkunft für 177 Asylsuchende am Offakamp in Lokstedt entstehen. Am heutigen Dienstag um 19.30 Uhr wird es in der Aula des Corvey-Gymnasiums dazu eine Informationsveranstaltung geben.

Auf dem Gelände des ehemaligen Recyclinghofs sollen vor allem alleinstehende Zuwanderer und Familien untergebracht werden. Eine Halle, ein Wohnhaus und ein ehemaliges Sozialgebäude stehen dafür zur Verfügung. Vorerst für zwei Jahre, als Zwischennutzung. In die Halle sollen sechs Wohnwagen gerollt, die Wohnungen wieder bezogen und Container für 128 Personen auf einer Freifläche errichtet werden. Ein Spielplatz müsste noch gebaut werden, heißt es in einer Einschätzung der Sozialbehörde. Angesichts der benachbarten Redaktionsräume der Obdachlosenzeitung "Hinz&Kunzt" und eines Autohändlers sei die Sozialverträglichkeit in diesem Gebiet gegeben.